GERMANY FIRST: HAUPTZOLLAMT UNTERSAGT AUSLÄNDISCHES BIOMETHAN ALS KRAFTSTOFF
Das deutsche Hauptzollamt Frankfurt (Oder) veröffentlichte gestern die vorläufige Fassung ihrer Dienstvorschrift zur Überwachung der Einhaltung der Treibhausgasminderung (DV THG-Quote). Demnach darf in Deutschland nur Biomethan zur Erfüllung der Treibhausgasminderungspflichten im Verkehr angerechnet werden, das heimisch erzeugt wurde. Das diskriminiert ausländisches Biomethan und steht dem Grundsatz des freien Handels innerhalb der EU entgegen.
Der deutsche Kraftstoffsektor sucht nach Möglichkeiten zur Dekarbonisierung der Straßen und zur Erfüllung der Treibhausgasminderungspflichten. Biokraftstoffe wie Biomethan sind eine einfache und bewährte Lösung: Ausreichend Potenzial ist vorhanden, das helfen kann, bis zu 1,5 Mio t CO2 pro Jahr einzusparen. Da in Deutschland ein Großteil des hierzulande produzierten Biomethans zur Stromerzeugung in Blockheizkraftwerken genutzt wird, kann importiertes Biomethan aus dem europäischen Ausland helfen, die Lücke zu schließen. Denn: Zertifiziertes Biomethan ist im EU-Ausland ausreichend vorhanden. Doch dabei gibt es ein Problem: Die kürzlich veröffentliche Dienstvorschrift des Zolls zur Überwachung der Einhaltung der Treibhausgasminderung (DV THG-Quote). Diese Dienstvorschrift besagt, dass das Biomethan entweder in Deutschland eingespeist oder als Reinkraftstoff direkt vertankt werden muss, um an die THG-Minderungspflichten angerechnet werden zu können.
Zum einen bedeutet dieser Inlandsvorbehalt Protektionismus. Zum anderen steht es dem Prinzip des freien Handels in der EU entgegen. Darüber hinaus nimmt sich Deutschland die Chance, die Verkehrswende durch reelle Emissionsminderungen auf der Straße voranzutreiben.
INLANDSVORBEHALT: WARUM?
Auf Nachfrage seitens der Landwärme bereits vor Veröffentlichung der DV THG-Quote äußerten die Ministerien und Behörden unter anderem die Bedenken, dass bei importiertem Biomethan das Risiko einer Doppelvermarktung, Doppelförderung oder doppelten Anrechnung auf nationale Erneuerbare-Energien-Ziele im EU-Ausland bestehe. Unter anderem durch die Zertifizierung nach REDcert-EU (ein durch die EU zugelassenes Zertifizierungssystem für den europäischen Biokraftstoffmarkt [LINK ARTIKEL)) und die Verbuchung in staatlichen Massenbilanzsystemen der Herkunfts- und Zielländer bestehen diese Risiken jedoch nicht.
STUBENREIN, STAMMBAUM IST VORHANDEN.
Ein Praxisbeispiel: Landwärme strebt an, Biomethan aus Ungarn und Dänemark für den Einsatz im deutschen Kraftstoffsektor zu importieren und an die THG-Quote anrechnen zu lassen. Das Biomethan aus den Anlagen ist je nach REDcert-EU zertifiziert und damit nach EU-Gesetzgebung für den Einsatz im Kraftstoffsektor legitimiert. Zudem werden die Biomethanmengen zur Rückverfolgbarkeit bereits in den Herkunftsländern in anerkannte Massenbilanzsystemen geführt. In Deutschland wird das Biomethan in das staatliche Web-System Nabisy eingebucht, das auch die in Deutschland produzierten Biomethanmengen führt. Durch die Nachweisführung in Nabisy wird einer Doppelvermarktung vorgebeugt und zudem ein hoher Standard an Transparenz und Rückverfolgbarkeit erreicht.
Durch entsprechende Nachweise der Herkunftsländer darüber, dass die Mengen keine Förderung erhalten haben, kann eine Doppelförderung leicht ausgeschlossen werden. Ungarn zum Beispiel verfügt über kein Fördersystem, sodass eine Doppelförderung von vornherein kein Thema ist. Dänemark fördert Biomethan durch eine Prämie direkt bei der Einspeisung. Ein Nachweis über eine Nichtanspruchnahme wird ohnehin ausgestellt.
Langfristig soll der Import nach Deutschland zudem durch ein von der Europäischen Kommission anerkanntes, europäisches Massenbilanzsystem dokumentiert werden. Der europäische Biogasdachverband, die European Biogas Association, strebt derzeit ein Massenbilanzsystem namens ERGaR (European Renewable Gas Registry) zum Handel entlang des europäischen Gasnetzes an. Dabei soll bei grenzüberschreitend gehandelten Mengen neben den nationalen Massenbilanzsystemen auch in das ERGaR zur internationalen Massenbilanzierung gebucht werden. Das schafft grenzenüberschreitende Transparenz.
Eine doppelte Anrechnung an die nationalen Erneuerbare-Energien-Ziele wird ohnehin durch die statistische Anrechnung von Biomethan an die Ziele ausgeschlossen. Biomethan wird laut Bundeswirtschaftsministerium erst zum Zeitpunkt seiner energetischen Umwandlung zur Nutzung als Strom, Wärme oder Kraftstoff in der Statistik über den Anteil der erneuerbaren Energien am Brutto-Endenergieverbrauch in Deutschland erfasst. Diese Vorgehensweise entspricht der EU-Richtlinie und wird auch in Ungarn und Dänemark so gehandhabt.
Aus diesem Beispiel zeigt sich, dass in einem integrierten europäischen Biomethanmarkt keine Risiken über Doppelförderung, -vermarktung oder -anrechnung bestehen. Sinnvoll wäre es im Sinne des Klimaschutzes, den Inlandsvorbehalt in der DV THG-Quote aufzuheben und in der EU gemeinsam die Dekarbonisierung des Verkehrs voranzutreiben.
HINTERGRUND
Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED) von 2009 gibt vor, dass jeder Mitgliedsstaat bis 2020 mindestens 10 % des Endenergieverbrauchs im Verkehrssektor aus erneuerbaren Quellen erreicht. Zudem legt die EU-Kraftstoffqualitätsrichtlinie fest, dass die Treibhausgasemissionen aus Kraftstoffen bis 2020 um mindestens 6 % sinken sollen.
In Deutschland werden diese EU-Richtlinien über das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) geregelt. Dazu hat die Bundesregierung Treibhausgasminderungsquoten (THG-Quoten) festgelegt: Unternehmen der Mineralölwirtschaft sind verpflichtet, die THG-Emissionen der von ihnen in Verkehr gebrachten Kraftstoffe zu reduzieren: von 2015 bis 2017 um 3,5 %, 2017 bis 2019 um 4 % und ab dem Jahr 2020 um 6 %. Dazu ist vorgesehen, dass anteilig Biokraftstoffe eingesetzt werden (Biokraftstoffquote).
10 % des Endenergieverbrauchs im Verkehrssektor aus erneuerbaren Quellen erreicht. Zudem legt die EU-Kraftstoffqualitätsrichtlinie fest, dass die Treibhausgasemissionen aus Kraftstoffen bis 2020 um mindestens 6 % sinken sollen.
Bereits 2012 ebnete die EU mit der Entscheidung, REDcert als europaweites Zertifizierungssystem für nachhaltige Biomasse anzuerkennen, den Weg in Richtung eines einheitlichen europäischen Marktes für Biokraftstoffe. Seit 2013 besteht in einem schwedischen Fall ein Rechtsstreit über den Import von zertifiziertem Biomethan über das Gasnetz. Auch Schweden versagte die Anerkennung von Biomethan, das aus Deutschland über das deutsche und dänische Netz nach Schweden eingeführt wurde. Inzwischen liegt die Rechtssache dem Europäischen Gerichtshof vor. Eine Entscheidung wird bis spätestens 2018 erwartet.
BIOMETHAN ALS KRAFTSTOFF
Das grüne Gas Biomethan ist chemisch identisch zu Erdgas – die Herkunft macht den Unterschied. Im Gegensatz zu fossilem Erdgas, durch dessen Förderung große Mengen CO2 aus den tieferliegenden Erdschichten freiwerden, wird bei Biomethan nur Energie genutzt, die ohnehin schon vorhanden ist: Biomethan entsteht durch die Vergärung von organischen Rest- und Abfallstoffen aus der Landwirtschaft oder der Biotonne in der Biogasanlage. Im zweiten Schritt wird das Gas gereinigt und somit auf die gleiche Beschaffenheit wie Erdgas aufbereitet. Damit können Erdgasautos ohne technische Änderungen problemlos auch Biomethan tanken. Mit Biomethan unterstützen Autofahrende zum einen Kreislaufwirtschaft, denn wir nutzen nur Energie, die in den Bioabfällen und Reststoffen schlummert. Damit wird kein weiteres klimaschädliches CO2 freigesetzt. Zum anderen entlastet es die Umwelt um Rußpartikel und Feinstaub. Die sind bei Biomethanautos nämlich unbedeutend gering. Außerdem stoßen Autos mit Biomethan im Tank 90 % weniger CO2 aus als ein Benziner.
NOTWENDIGE SCHRITTE
- Es bedarf keiner Anpassung der derzeitigen Gesetzgebung durch die Bundesregierung
- Es muss lediglich die Dienstvorschrift des Hauptzollamts zur Überwachung der Einhaltung der Treibhausgasminderung angepasst werden, sodass zertifiziertes Biomethan, das über das Erdgasnetz nach Deutschland importiert wird, auf die Treibhausgasminderungsquote angerechnet werden kann.
Bildquelle: tomas / stock.adobe.com
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WEITERFÜHRENDE LINKS
- Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE): Informationen zu Nabisy
- Erneuerbare-Energien-Richtline (RED) der EU (2009)
- European Biogas Association (EBA)
- European Renewable Gas Registry (ERGaR)
- Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (BImSchG)
- Hauptzollamt Frankfurt (Order): Allgemeine Informationen zur Treibhausgasquote
- Dienstvorschrift des Zolls zur Überwachung der Einhaltung der Treibhausgasminderung (DV THG-Quote) (PDF-Download)
- REDcert. Gesellschaft zur Zertifizierung nachhaltig erzeugter Biomasse e.V.