BESCHLOSSENE SACHE: UMWELTMINISTERIUM VERÖFFENTLICHT REFERENTENENTWURF ZU UER
Das Bundesumweltministerium plant mit einem Verordnungsentwurf, Emissionsminderungen bei der Erdölförderung außerhalb von Europa auf die nationalen Klimaziele im Verkehr anrechnen zu lassen. Damit steht das Umweltministerium der Dekarbonisierung des Verkehrs im Wege und bremst den Einsatz erneuerbarer Kraftstoffe aus.
Bislang war vorgesehen, dass der Kraftstoffsektor seine Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) durch Inverkehrbringen von erneuerbaren Energien (EE) reduziert. Mit der neuen Rechtsverordnung setzt das Umweltministerium nun einen Widerspruch zu den bisherigen EE-Ausbauplänen und dem Ziel, die klimaschädlichen Emissionen im Verkehr zu reduzieren, erklärt Landwärme in ihrer Stellungnahme. Denn: Ab 2020 sollen Upstream-Emissions-Reduktionen (UER) an die nationale THG-Minderungsquote im Kraftstoffbereich angerechnet werden können. UER sind Emissionsminderungen bei der Förderung fossiler Kraftstoffe, die im Ausland erbracht werden und somit keinen Beitrag zum Klimaschutz auf deutschen Straßen leisten. Hinzu kommt, dass durch die Anrechnung von UER der Einsatz von erneuerbaren Kraftstoffen blockiert wird. „Die geplante Anrechnung von UER-Maßnahmen führt dazu, dass noch weniger klimafreundliche Biokraftstoffe eingesetzt werden müssen“, kritisiert auch Janet Hochi, Geschäftsführerin des Biogasrats.
In ihrer Stellungnahme kritisiert Landwärme mehrere Aspekte dieser Verordnung (UERV). Zur Verfehlung der festgelegten Erneuerbare-Energien-Ziele im Verkehrssektor erklärt das Biomethanunternehmen, dass das 6-Prozent-Ziel für EE im Verkehrssektor in 2020 durch den steigenden Einsatz von Biokraftstoffen mit niedrigen THG-Emissionswerten wie Biomethan ohne große Probleme möglich ist. Die UERV sieht nun vor, dass 1,75 Prozentpunkte der THG-Verpflichtung durch UER erreicht werden können. Dadurch kann die in den letzten 10 Jahren bereits rückläufige Entwicklung des EE-Anteils am Endenergieverbrauch im deutschen Verkehrssektor noch eine Beschleunigung erfahren. Auch Hochi erklärt: „Wir sehen auf der einen Seite den ungebremsten Anstieg der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor aufgrund des größeren Verkehrsaufkommens, diese liegen nun sogar höher als 1990. Auf der anderen Seite stehen wir vor der paradoxen Situation, dass die Mineralölindustrie weniger Biokraftstoffe einsetzen muss, um ihre Treibhausgasminderungspflichten zu erfüllen, weil die Biokraftstoffe effizienter geworden sind.“ Dabei ist eigentlich seitens der EU eine Steigerung des Anteils an Biokraftstoffen im Verkehrsbereich vorgesehen: Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) legt einen Anteil von 10 % bis 2020 fest, die Neufassung der RED (RED II) sieht bis 2030 sogar 14 % vor. Damit steht die UERV auch im Widerspruch zu dem im Pariser Klimaabkommen gesetzten THG-Minderungsziel bis 2030.
Zudem kritisiert Landwärme den reinen Fokus auf vermeintlich ökonomische Aspekte. In der UERV werden hohe finanzielle Entlastungen der deutschen Wirtschaft als Begründung für den Einsatz von UER angeführt. Reine finanzielle Erleichterungen ohne reelle Maßnahmen zur Emissionsreduktion bringt die deutsche Wirtschaft jedoch kein Stück näher an die Klimaziele des Verkehrs. Im Gegenteil: Es steht dem langfristigen Ziel der Dekarbonisierung des Straßenverkehrs und der Förderung emissionsarmer Kraftstoffe entgegen.
Darüber hinaus übt Landwärme Kritik an der widersprüchlichen Haltung des BMUB zum internationalen Handel von Nachhaltigkeitszertifikaten. Während die Kontrolle der UER-Nachweise eine untergeordnete Rolle spielt, versagt das Umweltministerium staatlich kontrollierte Systeme zur Nachhaltigkeitsüberprüfung für Biokraftstoffe und ihren Import aus Sorge vor Mängeln in der Nachweisführung.
Zudem versagt die UERV eine langfristige Planbarkeit für die Biokraftstoffbranche. Unkonkrete Passus zu vorbehaltenen Änderungen der Anrechnungshöhe von UER nimmt alternativen Kraftstoffen die Planungsperspektive.
Aus diesen Gründen sollte die Anrechenbarkeit von UER wie folgt ausgestaltet sein:
- Es sollte sich um zusätzliche Maßnahmen handeln, die jedoch nicht auf die Treibhausgasquote in Höhe von 6 Prozent angerechnet werden kann.
- Es sollte sich im Anspruch an die Nachweisführung den gängigen und etablierten Standards für nachhaltige Biomasse orientieren und
- Die geförderten Projekte sollten bis mindestens 2030 und darüber hinaus die Treibhaugasminderung erzielen und diese sollten eindeutig Deutschland zugeordnet werden können.
Die vollständige Stellungnahme der Landwärme zum Referentenentwurf der UERV finden Sie hier [Download].
HINTERGRUND
Die Europäische Union gibt in der Erneuerbare-Energien-Richtline (RED) von 2009 vor, dass jeder Mitgliedsstaat bis 2020 mindestens 10 % des Endenergieverbrauchs im Verkehrssektor aus erneuerbaren Quellen erreicht. Zudem legt die EU-Kraftstoffqualitätsrichtlinie fest, dass die Treibhausgasemissionen aus Kraftstoffen bis 2020 um mindestens 6 % sinken sollen.
In Deutschland werden diese EU-Richtlinien über das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) geregelt. Dazu hat die Bundesregierung Treibhausgasminderungsquoten (THG-Quoten) festgelegt: Unternehmen der Mineralölwirtschaft sind verpflichtet, die THG-Emissionen der von ihnen in Verkehr gebrachten Kraftstoffe zu reduzieren: 2017 bis 2019 um 4 % und ab dem Jahr 2020 um 6 %. Dazu war vorgesehen, dass anteilig Biokraftstoffe eingesetzt werden – bis jetzt.
Im April 2015 erweiterte der Europäische Rat mit der Richtlinie 2015/652/EG zur Festlegung von Berechnungsverfahren gemäß der EU-Kraftstoffqualitätsrichtlinie für ab 2020 die Optionen, diese Quotenverpflichtungen zu erfüllen. Zum einen werden neben Bio- auch nicht biogene, zum Beispiel strombasierte Kraftstoffe zugelassen, um die Minderungsziele zu erreichen. Doch über erneuerbare Alternativen hinaus haben Mineralölunternehmen nun auch die Möglichkeit, durch die Reduktion von Emissionen bei der Erdölförderung die THG-Minderungsziele im Kraftstoffbereich zu erreichen.
Die Richtlinie 2015/652/EG ist bis spätestens April 2017 in nationales Recht umzusetzen. Dabei ließ die EU den Mitgliedsstaaten einen gewissen Spielraum. Im Juni 2016 beschloss die Bundesregierung kurzerhand eine Änderung des BImSchG hinsichtlich der Anrechnung von UER in einem anderen Gesetzentwurf (dem Umweltstatistikgesetz) – unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne Konsultation der Verbände. Diese Änderung wurde nun mit dem Referentenentwurf der UERV umgesetzt.
WAS SIND UPSTREAM-EMISSIONSREDUKTIONEN (UER)?
UER sind, so definiert es das Umweltbundesamt, THG-Emissionen, die vermieden werden, bevor Rohstoffe für Otto-, Diesel- und Flüssiggaskraftstoff in eine Raffinerie gelangen. Darunter fallen z.B. Emissionsreduktionen durch das Vermeiden des Abfackelns von Begleitgasen bei der Förderung von Erdöl. Der Großteil der Erdölförderung findet jedoch außerhalb der EU statt. Damit halten sich die tatsächlichen THG-Minderungen in Europa in Grenzen.
Bildquelle: bere_moonlight0 / pixabay.com
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WEITERFÜHRENDE LINKS
- Referentenentwurf des Bundesumweltministeriums: Verordnung zur Anrechnung von Upstream-Emissionsminderungen auf die Treibhausgasquote (2017)
- Biogasrat: Umweltministerium als Steigbügelhalter der Mineralölindustrie (2017)
- Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) (2009)
- Richtlinie (EU) 2015/652 des Rates vom 20. April 2015 zur Festlegung von Berechnungsverfahren und Berichterstattungspflichten gemäß der Richtlinie 98/70/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen (2015)
- Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umweltstatistikgesetzes und des Hochbaustatistikgesetzes (2016)