LICHTBLICK: EUGH URTEILT ZU GRENZÜBERSCHREITENDEM HANDEL
Am Beispiel von Schweden entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) gestern in Luxemburg: Grundsätzlich muss der Handel von Biomethan durch das Gasnetz auch über Ländergrenzen hinweg erlaubt sein. Bislang war auch in Deutschland der Import von Biomethan für den Einsatz als Kraftstoff über das Gasnetz nicht möglich. Mit seinem Beschluss fiel der EuGH nun eine wegweisende Entscheidung und macht Hoffnung für die Energiewende in der EU.
In der Diskussion um den grenzüberschreitenden Handel von Biomethan innerhalb der EU gibt es erfreuliche Neuigkeiten. In ihrem Urteil beantworteten die obersten EU-Richter nun grundlegende Fragen zum Import von Biomethan. So bestätigte er, dass der grenzüberschreitende Transport über das Gasnetz erlaubt sei, sofern die Regeln der sogenannten Massenbilanzierung (In einem Massenbilanzsystem wird erfasst, wie viel Gas in das Netz eingespeist und wie viel entnommen wurde. Dabei werden zudem die Nachweise über die Herkunft und damit auch die Nachhaltigkeit des Gases dokumentiert.) eingehalten werden. Somit ist nun auch Deutschland verpflichtet, importiertes, massenbilanziertes Biomethan in seinem eigenen Massenbilanzsystem zu berücksichtigen.
WORUM GING ES IN SCHWEDEN?
Geklagt hatte das in Schweden ansässige Energieunternehmen E.ON Biofor Sverige AB gegen die staatliche schwedische Energieagentur Statens energiemyndighet. Die schwedische E.ON bezog von einer deutschen Schwestergesellschaft Biomethan und transportierte dieses über das deutsche und dänische Gasnetz nach Schweden. Wie bei dem Transport von Biomethan üblich, war die Nachhaltigkeit dieser Gaslieferung jederzeit durch ein Nachhaltigkeitszertifikat der REDcert-DE begleitet und in Massenbilanzsystemen verbucht.
Die schwedische Energieagentur wies E.ON Biofor Sverige im Jahr 2013 an, Änderungen an seinem System zur Überprüfung der Nachhaltigkeit des Biomethans vorzunehmen, um sicherzustellen, dass die Massenbilanz „innerhalb eines eindeutig abgegrenzten Bereichs […] ausgeglichen“ werde. Diese Änderung hätte für E.ON zur Folge gehabt, dass das in Deutschland hergestellte und über das deutsche und dänische Gasnetz nach Schweden transportierte Gas nicht in das schwedische Massenbilanzsystem hätte aufgenommen werden und das Gas damit in Schweden nicht hätte eingesetzt werden können. Denn: Aus Sicht der Energieagentur wären diese beiden Gasnetze kein solcher „eindeutig abgegrenzter Bereich“.
EUGH: GRENZÜBERSCHREITENDER HANDEL VON BIOMETHAN MUSS MÖGLICH SEIN
Die obersten EU-Richter kamen nun zu dem Ergebnis, dass, soweit ein EU-Mitgliedstaat ein Massenbilanzsystem eingeführt hat, dieser auch Importe aus anderen EU-Mitgliedstaaten berücksichtigen muss, wenn diese nach einem System massenbilanziert worden sind.
In seinem Urteilsspruch stellte der EuGH zudem fest, dass das ausländische Biomethan nicht zu akzeptieren ein Handelshindernis darstellt. Damit verstößt es gegen die Warenverkehrsfreiheit innerhalb der EU.
Am Ende steht nun also: Der grenzüberschreitende Handel von Biomethan muss möglich sein, sofern die Regeln der Massenbilanzierung eingehalten werden. Dabei ist unerheblich, ob es sich um ein staatliches oder freiwilliges System handelt, solange es die Kriterien der EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) erfüllt. Ein solches freiwilliges System ist unter anderem das von der EU-Kommission anerkannte REDcert-EU-Zertifikat, das sich inzwischen zum Standard für die Zertifizierung für den Kraftstoffbereich etabliert hat.
In Schweden ist nun also der Import von massenbilanzierten Biomethan aus dem EU-Ausland möglich – ein Lichtblick für Europa und einen vollintegrierten Biomethanmarkt in der EU.
HINTERGRUND: IMPORTBESCHRÄNKUNG VON BIOMETHAN ALS KRAFTSTOFF
Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED) von 2009 gibt vor, dass jeder Mitgliedsstaat bis 2020 mindestens 10 % des Endenergieverbrauchs im Verkehrssektor aus erneuerbaren Quellen erreicht. Zudem legt die EU-Kraftstoffqualitätsrichtlinie fest, dass die Treibhausgasemissionen aus Kraftstoffen bis 2020 um mindestens 6 % sinken sollen.
In Deutschland werden diese EU-Richtlinien über das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) geregelt. Dazu hat die Bundesregierung Treibhausgasminderungsquoten (THG-Quoten) festgelegt: Unternehmen der Mineralölwirtschaft sind verpflichtet, die THG-Emissionen der von ihnen in Verkehr gebrachten Kraftstoffe zu reduzieren: von 2015 bis 2017 um 3,5 %, 2017 bis 2019 um 4 % und ab dem Jahr 2020 um 6 %. Dazu ist vorgesehen, dass anteilig Biokraftstoffe eingesetzt werden (Biokraftstoffquote).
Bereits 2012 ebnete die EU mit der Entscheidung, REDcert als europaweites Zertifizierungssystem für nachhaltige Biomasse anzuerkennen, den Weg in Richtung eines einheitlichen europäischen Marktes für Biokraftstoffe. Der Import von Biomethan über das Gasnetz nach Deutschland ist jedoch derzeit eingeschränkt. Biomethan für die Nutzung im Kraftstoffsektor und damit für die Anrechnung auf die Biokraftstoffquote einzuführen ist zwar zulässig, der Grenzübertritt nach Deutschland darf jedoch nicht über die Gasleitung erfolgen. Das stellt Biomethan vor ein Problem, denn: Biomethan – chemisch identisch mit Erdgas – wird, ebenso wie Erdgas selbst, ausschließlich über das Gasnetz transportiert und nicht mit LKWs und Zügen. Zudem wird es während des Transports über das Netz jederzeit von durch die EU anerkannten Nachhaltigkeitsnachweisen begleitet. Damit hält Biomethan, das nach REDcert-EU oder ISCC zertifiziert ist, das vom EuGH geforderte Prinzip der Massenbilanzierung ein. Indem die Anrechnung von über das Gasnetz transportiertem Biomethan im Kraftstoffmarkt nicht zugelassen ist, ist der Import von Biomethan für diesen Einsatzmarkt bislang faktisch nicht umsetzbar. Bis jetzt.
NOTWENDIGE SCHRITTE
- Es bedarf keiner Anpassung der derzeitigen Gesetzgebung durch die Bundesregierung
- Es muss lediglich die Dienstvorschrift des Hauptzollamts zur Überwachung der Einhaltung der Treibhausgasminderung angepasst werden, sodass zertifiziertes Biomethan, das über das Erdgasnetz nach Deutschland importiert wird, auf die Treibhausgasminderungsquote angerechnet werden kann.
BIOMETHAN ALS KRAFTSTOFF
Das grüne Gas Biomethan ist chemisch identisch zu Erdgas – die Herkunft macht den Unterschied. Im Gegensatz zu fossilem Erdgas, durch dessen Förderung große Mengen CO2 aus den tieferliegenden Erdschichten freiwerden, wird bei Biomethan nur Energie genutzt, die ohnehin schon vorhanden ist: Biomethan entsteht durch die Vergärung von organischen Rest- und Abfallstoffen aus der Landwirtschaft oder der Biotonne in der Biogasanlage. Im zweiten Schritt wird das Gas gereinigt und somit auf die gleiche Beschaffenheit wie Erdgas aufbereitet. Damit können Erdgasautos ohne technische Änderungen problemlos auch Biomethan tanken. Mit Biomethan unterstützen Autofahrende zum einen Kreislaufwirtschaft, denn wir nutzen nur Energie, die in den Bioabfällen und Reststoffen schlummert. Damit wird kein weiteres klimaschädliches CO2 freigesetzt. Zum anderen entlastet es die Umwelt um Rußpartikel und Feinstaub. Die sind bei Biomethanautos nämlich unbedeutend gering. Außerdem stoßen Autos mit Biomethan im Tank 90 % weniger CO2 aus als ein Benziner.
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WEITERFÜHRENDE LINKS
- Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung: Nachhaltige-Biomasse-System (Nabisy)
- Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: EU-Richtlinie für Eneuerbare Energien
- Deutsche Energie-Agentur (dena): Biomethan
- Dienstvorschrift des Zolls zur Überwachung der Einhaltung der Treibhausgasminderung (DV THG-Quote) (PDF-Download)
- Erneuerbare-Energien-Richtline (RED) der EU (2009)
- Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (BImSchG)
- Hauptzollamt Frankfurt (Order): Allgemeine Informationen zur Treibhausgasquote
- Dienstvorschrift des Zolls zur Überwachung der Einhaltung der Treibhausgasminderung (DV THG-Quote) (PDF-Download)
- REDcert. Gesellschaft zur Zertifizierung nachhaltig erzeugter Biomasse e.V.
- Europäischer Gerichtshof (EuGH): C-549/15 – E.ON Biofor Sverige (22.06.2017)