THG-QUOTE: WIRKLICH ERDÖL STATT BIOKRAFTSTOFF?
Das Bundeskabinett hat am Dienstag die Verordnung zur Anrechnung von Upstream-Emissionsminderungen auf die Treibhausgasquote (UERV) verabschiedet. Damit ist es der Mineralölindustrie nun möglich, ihre Quotenverpflichtungen im Verkehrssektor anstatt mit erneuerbaren Energien durch Emissionsminderungen bei der Erdölförderung zu erfüllen.
Im März vergangenen Jahres veröffentlichte das Umweltministerium seinen Referentenentwurf zur UERV. Landwärme und Verbände wir auch der Biogasrat nahmen dazu Stellung. Nun erließ die Bundesregierung den Entwurf nahezu unverändert. Lediglich die Höhe der UER-Quote wurde etwas nach unten korrigiert: von 1,75 Prozent auf 1,2 Prozent. Mit der UERV können nun Emissionseinsparungen bei der Förderung von fossilem Erdöl an die nationalen Klimaziele des Verkehrs angerechnet werden – anstelle von erneuerbaren Energien. Anders als durch Biokraftstoffe bringt diese neue Anrechenbarkeit keinen effektiven ökologischen Mehrwert auf deutschen Straßen mit sich, denn die Erdöförderung findet zum größten Teil außerhalb von Europa statt. Zudem steht die UERV im Widerspruch zum Pariser Klimaabkommen und den europäischen wie deutschen Zielen zum Ausbau erneuerbarer Energien.
Auch Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas sieht die Veröffentlichung der UERV kritisch: „Diese Verordnung ist der blanke Hohn. Statt Erneuerbare Energien wie Biomethan, Elektromobilität oder Wasserstoff kann sich die Mineralölindustrie nun Emissionsminderungen bei der Erdölproduktion auf die Treibhausgasquote (THG-Quote) im Verkehrssektor gutschreiben lassen“.
Sinnvoller wäre es, die Upstream-Emissionsminderungen als eine zusätzliche Maßnahme handzuhaben, die jedoch nicht auf die THG-Quote gutgeschrieben werden kann. Stattdessen sollte der Einsatz von Biokraftstoffen mit niedrigen Treibhausemissionen wie Biomethan gefördert werden. Damit kann langfristig und nachhaltig die Dekarbonisierung des Straßenverkehrs vorangetrieben werden.
HINTERGRUND
Die Europäische Union gibt in der Erneuerbare-Energien-Richtline (RED) von 2009 vor, dass jeder Mitgliedsstaat bis 2020 mindestens 10 % des Endenergieverbrauchs im Verkehrssektor aus erneuerbaren Quellen erreicht. Zudem legt die EU-Kraftstoffqualitätsrichtlinie fest, dass die Treibhausgasemissionen aus Kraftstoffen bis 2020 um mindestens 6 % sinken sollen.
In Deutschland werden diese EU-Richtlinien über das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) geregelt. Dazu hat die Bundesregierung Treibhausgasminderungsquoten (THG-Quoten) festgelegt: Unternehmen der Mineralölwirtschaft sind verpflichtet, die THG-Emissionen der von ihnen in Verkehr gebrachten Kraftstoffe zu reduzieren: 2017 bis 2019 um 4 % und ab dem Jahr 2020 um 6 %. Um diese zu erreichen, sollen anteilig erneuerbare Energien wie Biokraftstoffe eingesetzt werden.
Im April 2015 erweiterte der Europäische Rat mit der Richtlinie 2015/652/EG zur Festlegung von Berechnungsverfahren gemäß der EU-Kraftstoffqualitätsrichtlinie für ab 2020 die Optionen, diese Quotenverpflichtungen zu erfüllen. Zum einen werden neben Bio- auch nicht biogene, zum Beispiel strombasierte Kraftstoffe zugelassen, um die Minderungsziele zu erreichen. Doch über erneuerbare Alternativen hinaus haben Mineralölunternehmen nun auch die Möglichkeit, durch die Reduktion von Emissionen bei der Erdölförderung die THG-Minderungsziele im Kraftstoffbereich zu erreichen.
Die Richtlinie 2015/652/EG ist bis spätestens April 2017 in nationales Recht umzusetzen. Dabei ließ die EU den Mitgliedsstaaten einen gewissen Spielraum. Im Juni 2016 beschloss die Bundesregierung kurzerhand eine Änderung des BImSchG hinsichtlich der Anrechnung von UER in einem anderen Gesetzentwurf (dem Umweltstatistikgesetz) – unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne Konsultation der Verbände. Im März vergangenen Jahres veröffentlichte das Bundesumweltministerium den Referentenentwurf zur Upstream-Emissions-Reduktions-Verordnung (UERV). Landwärme beteiligte sich an der Diskussion mit einer Stellungnahme [LINK ZUM ARTIKEL]. Nun veröffentlichte die Bundesregierung die finale Verordnung ohne Anpassungen und Berücksichtigung der Stimmen aus der Öffentlichkeit.
WAS SIND UPSTREAM-EMISSIONSREDUKTIONEN (UER)?
UER sind, so definiert es das Umweltbundesamt, THG-Emissionen, die vermieden werden, bevor Rohstoffe für Otto-, Diesel- und Flüssiggaskraftstoff in eine Raffinerie gelangen. Darunter fallen z.B. Emissionsreduktionen durch das Vermeiden des Abfackelns von Begleitgasen bei der Förderung von Erdöl. Der Großteil der Erdölförderung findet jedoch außerhalb der EU statt. Damit halten sich die tatsächlichen THG-Minderungen in Europa in Grenzen.
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WEITERFÜHRENDE LINKS
- Pressemitteilung Fachverband Biogas: BMUB – Bilanztricks statt Klimaschutz im Verkehr (2018)
- Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) (2009)
- Richtlinie (EU) 2015/652 des Rates vom 20. April 2015 zur Festlegung von Berechnungsverfahren und Berichterstattungspflichten gemäß der Richtlinie 98/70/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen (2015)
- Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umweltstatistikgesetzes und des Hochbaustatistikgesetzes (2016)
- Referentenentwurf des Bundesumweltministeriums: Verordnung zur Anrechnung von Upstream-Emissionsminderungen auf die Treibhausgasquote (2017)
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