BIOMETHAN 2050+: NACHHALTIG CO2 AUS DER ATMOSPHÄRE ZIEHEN
Um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens einzuhalten, reichen Emissionsreduktion und Klimaneutralität in 2050 allein nicht aus. Um einen sogenannten „Overshoot“, also ein Überschreiten des Ziels zu vermeiden, braucht es Konzepte, die aktiv CO2 aus der Atmosphäre ziehen. Das hat auch der zur Klimakonferenz 2018 in Katowice veröffentliche IPCC-Sonderbericht gezeigt. Biomethan kann das leisten – und zwar in großem Maßstab. 150 Mio. Tonnen solcher Negativemissionen kann Biomethan unter nachjustierten Rahmenbedingungen alleine in der EU erzielen. Das ist 1,25 mal so viel wie der gesamte Gebäudesektor in Deutschland derzeit verursacht (Laut Bundesregierung liegt der Verbrauch des Gebäudesektors bei 120 Mio Tonnen CO2.). Plus: Ganz nebenbei sichert die Wertschöpfungskette von Biomethan nachhaltig Arbeitsplätze in ländlichen Gegenden.
KLIMAWANDEL NUR MIT NEGATIVEMISSIONEN AUFHALTBAR
Deutschland verfehlt die Klimaziele 2020 – und zwar deutlich. Das bedeutet: Die Klimaschutzmaßnahmen, die nun eingeführt werden, müssen umso effektiver sein. Denn wenn die Klimapolitik in der jetzigen Geschwindigkeit weiterarbeitet, sammelt sich ein immer größerer Berg an CO2-Altlasten an, der uns durch die Erderwärmung buchstäblich die Hölle heiß macht. Statt auf 1,5 steuert die Welt derzeit auf eine Erwärmung von 3 Grad oder mehr zu, sagt Katja Frieler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung der Welt. Der Plan von Klimaneutralität in 2050 ist natürlich ein guter Anfang, doch zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels sind Negativemissionen unabdingbar. Auf der Klimakonferenz 2018 (COP 24) nannte Klimaforscher Jan Minx des Berliner Mercator Research Institutes es sogar eine wissenschaftsignorante („scienceless“) Ansicht, wer den Klimawandel ohne negative Emissionen bewerkstelligen will.
Es ist also wichtig, dass wir Mechanismen nutzen, die aktiv CO2 aus der Atmosphäre ziehen, sie dekarbonisieren und dafür sorgen, dass Treibhausgase keine weiteren Klimaschäden anrichten können. Herangehensweisen gibt es mehrere: Aufforstung, Filtertechniken oder, die deutlich effektivere Methode, (BE)CCS – (Bioenergy) Carbon Capture & Storage.
BIOMETHAN + CCS = 150 MIO. TONNEN CO2 PRO JAHR AUS DER ATMOSPHÄRE ZIEHEN
Biomethan entsteht durch die Vergärung von organischen Rest- und Abfallstoffen oder Energiepflanzen in der Biogasanlage. Damit werden nur Rohstoffe verwendet, die durch Photosynthese ohnehin CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen haben. Das heißt, durch den Einsatz von Biomethan wird im Vergleich zu fossilen Energieträgern kein zusätzliches CO2 in der Atmosphäre frei. Wir befinden uns in einer Art Kreislaufwirtschaft.
Darüber hinaus können in der Erzeugung von Biomethan auch aktiv große Mengen klimaschädliches CO2 aus der Atmosphäre gezogen werden – durch Carbon Capture and Storage (CCS). CCS bedeutet die Abscheidung von CO2 (Carbon Capture) und seine Speicherung (Storage) dort, wo es keinen Schaden anrichten kann. In der Aufbereitung von Biogas zu Biomethan wird heute schon CO2 abgeschieden. Dieses CO2 lässt sich ganz einfach über das Gasnetz oder in Tanks zu unterirdischen Lagerstätten transportieren. Zur Endlagerung bieten sich zum Beispiel ausgeförderte Erdgas- oder Ölfelder an. Die Technologie und große Teile der Infrastruktur sind also schon da.
Ganz vereinfacht dargestellt, lässt sich der Lebenszyklus von Biomethan in Verbindung mit CCS wie folgt beschreiben: Beim Wachstum nehmen Pflanzen CO2 aus der Atmosphäre auf und speichern sie. Bei der Vergärung zu Biogas bzw. Biomethan wird das nun wieder freiwerdende CO2 aufgefangen und sicher unter der Erde verstaut, sodass es keine weiteren Klimaschäden anrichten kann.
IN EINER DEKARBONISIERTEN WELT IST BIOMETHAN 2050 GLEICH BIOMETHAN 2200
In einer klimaneutralen Welt ist Biomethan nicht mehr nur CO2-neutral, es kann auch die verpassten Klimaziele wettmachen. Studien u.a. von der Deutschen Energie-Agentur (dena) oder Navigant zeigen: Eine Steigerung der nachhaltigen Bionmethanproduktion auf 1.000 TWh in Europa ist realisierbar. In Verbindung mit CCS sind damit Negativemissionen in Höhe von 150 Mio Tonnen CO2 pro Jahr möglich. Hinzu kommt: Wenn auf dem Land produziertes Biomethan in der Stadt als Energieträger genutzt wird, reduziert das die Schere zwischen urbanen und ländlichen Gegenden: 15 – 30 Mrd. € für CO2 und 35 Mrd. € für Biomethan unterstützen die Landwirtschaft und die Produktion. Eine weitere Studie von Navigant im Auftrag des Gas-for-Climate-Konsortiums bewies im November 2019: Schon 600 TWh in Europa sorgen im Jahr 2050 für bis zu 275.000 Arbeitsplätze direkt in der Erzeugung vor Ort. Hinzu kommen weitere 400.000 Jobs indirekt (zum Beispiel bei Vorlieferanten). Damit stärkt eine nachhaltige Biomethanproduktion strukturschwache Regionen – und wird in Verbindung mit CCS zur Einkommensquelle für die Landwirtschaft über Generationen hinweg.
NOTWENDIGE SCHRITTE
KURZFRISTIG
- RED II zügig umsetzen
- Wege bereiten für wachsende EU-Biomethanproduktion
- Keine Importbeschränkungen von Biomethan
- Ein europäisches Register zur einheitlichen Nachweisführung
- Höhere Quoten und Mandate
MITTELFRISTIG
- Einführung eines ganzheitlichen CO2-Preises, der fossiles CO2 sanktioniert & Biomethan und andere grüne Gase fördert
- Vergärungspflicht für Gülle & Bioabfall einführen
- Gasnetz auf Biomethan & Wasserstoff anpassen
LANGFRISTIG
- CCS-Wirtschaft etablieren, die Negativemissionen statt Emissionsreduzierung fokussiert
- 100 % Erneuerbare in Strommix schnell umsetzen
- Doppelte Fruchtfolge + ausschließlich nachhaltige Landwirtschaft
Bildquelle: jittawit.21 / stock.adobe.com
Weiterführende Links
- Biogasrat: Kernpositionen: Für eine soziale und klimaeffiziente Energiewende (2017)
- Deutsche Energie-Agentur (dena): Rolle und Beitrag von Biomethan im Klimaschutz heute und in 2050 (2017)
- European Biogas Association (EBA): EBA Statistical Report 2018 (2019)
- Ecofys im Auftrag von DVGW: Die Rolle von Gas im zukünftigen Energiesystem (2018)
- IPCC-Sonderbericht: 1,5 °C globale Erwärmung: Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger
- Handelsblatt: Debatte um CO2-Preis: Deutschland hinkt dem Trend hinterher (12.07.2019)
- Bundesregierung Deutschland: Klimaschutz: Bauen und Wohnen (Oktober 2019)
- McKinsey im Auftrag vom BDI: Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland (2009)
- Navigant im Auftrag des Gas for Climate Consortiums: Gas for Climate. Job creation by scaling up renewable gas in Europe (2019)
- Navigant im Auftrag des Gas for Climate Consortiums: Gas for Climate. The optimal role for gas in a net-zero emissions energy system (2019)
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