KLIMAWANDEL NUR DURCH NEGATIVEMISSIONEN AUFHALTBAR
Um die 1,5 Grad und das Ziel der Netto Null einzuhalten, sind negative Emissionen nötig – es muss der Atmosphäre CO2 entnommen werden. Nur so ist der Klimawandel aufzuhalten.
Hocheffiziente Technologien, erneuerbare Energieversorgung, Kreislaufwirtschaft – alles Maßnahmen, die für ein Europa mit Netto-Null-Emissionen in 2050 ohne Zweifel dringend notwendig sind. Da es technisch aber nicht möglich sein wird, den Treibhausgasausstoß gänzlich auf Null herunterzufahren, müssen negative Emissionen her – es muss der Atmosphäre aktiv CO2 entnommen werden. So bescheinigt es auch der Weltklimarat (IPCC) in einem zum Klimagipfel in Kattowitz 2018 veröffentlichten Sonderbericht. Denn um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, dürfen nach 2050 die Länder nicht mehr Treibhausgase ausstoßen, als der Atmosphäre wieder entzogen werden. Das hat auch die EU-Kommission in ihrem Vorschlag für das erste Europäische Klimagesetz der Geschichte Anfang März festgelegt – Ziel: erster klimaneutraler Kontinent bis 2050.
Negativemissionen beschreiben diejenigen Emissionen, die aus der Luft zurückgeholt werden – und das möglichst dauerhaft, um die Erderwärmung einzudämmen. Dazu gibt es mehrere Herangehensweisen, die mit biologischen, chemischen und physikalischen Verfahren arbeiten. Zu den bekanntesten zählen: (Wieder-) Aufforstung, Direct Air Capture (DAC, ein Luftfilterverfahren) und, eine der wirksamsten Methoden, BECCS – Bioenergy Carbon Capture and Storage, CO2-Abscheidung und -Speicherung zum Beispiel in Verbindung mit der Produktion von Biomethan.
BECCS: EFFEKTIVE METHODE BEREITS TEIL DER BIOMETHANERZEUGUNG
BECCS ist die im Bericht des IPCC von 2018 am meisten diskutierte Methode und wird als eine effektive Technik zur Reduktion von CO2 in unserer Atmosphäre gehandelt. Der Prozess beginnt damit, dass Pflanzen bei der Photosynthese zum Wachstum CO2 aus der Luft aufnehmen und speichern. Nach der Ernte landet die Biomasse entweder als Nahrung auf dem Teller und danach in Form von Bioabfällen in der Biogasanlage. Oder die nachhaltig angebaute Biomasse ist direkt für die Vergärung vorgesehen. Bei der anschließenden Aufbereitung von Biogas zu Biomethan wird das CO2 abgeschieden. Bis hierhin ein Verfahren, das ohnehin schon Bestandteil der heutigen Biomethanerzeugung ist. Dieses CO2 kann nun wieder aufgefangen und im Boden in designierte Lagerstätten gepresst werden. Dazu eignen sich zum Beispiel saline Aquiferen oder ausgeförderte Gas- und Ölfelder. Teile der bestehenden Gasinfrastruktur können für den Transport genutzt werden. Für das BECCS-Verfahren mit Biomethan besteht also schon ein Großteil der Technologie und Infrastruktur. Die Wertschöpfungskette und die Erzeugung von Biomethan kann auf diese Weise nicht nur nachhaltig erzeugte, erneuerbare Energie liefern, sondern zur Dekarbonisierung der Atmosphäre beitragen. Damit sind bis zu 150 Mio t. CO2 pro Jahr an Negativemissionen allein in Europa möglich.
ZUSÄTZLICHE EMMISSIONSVERMEIDUNG DURCH EINSATZ VON GÜLLE IN DER BIOMETHANPRODUKTION
Eine besondere Stellung nimmt der Einsatz von Gülle in der Biogasanlage ein. Wenn diese in Form von Dünger frei auf dem Feld ausliegt, setzt sie große Mengen Methan frei, die 23 mal klimaschädlicher sind als CO2. Durch die Vergärung von Gülle in der Biogasanlage wird dieses Methan gar nicht erst frei emittiert, sondern in Form von Biomethan als Energieträger genutzt – und durch die Verbrennung beim Verbrauch quasi unschädlich gemacht.
Natürliche Senken, Ozeandüngung, Biokohle und Luftfilter zur Dekarbonisierung
Eine weitere Möglichkeit für Negativemissionen ist der Schutz natürlicher Senken wie Wälder, Moore und Grasland, die CO2 in Form von Kohlenstoff binden. Dazu kommt die wohl bekannteste Herangehensweise der (Wieder-) Aufforstung, bei der Bäume beim Wachstumsprozess CO2 aufnehmen sollen. Dabei wird jedoch verhältnismäßig viel Wasser und Fläche benötigt. Zu den biologischen Verfahren zählt auch die Ozeandüngung, bei der durch Zufuhr von Nitrat oder Eisen das Wachstum CO2-bindender Algen angeregt wird. Sie wälzen das Kohlendioxid aus der Luft in die Tiefen der Ozeane um. Diese Methode gilt allerdings als sehr risikobehaftet, da es einen massiven Eingriff in die Meeresökosysteme bedeuten würde. Die Auswirkungen sind bislang kaum erforscht. Bei der pyrogenen CO2-Abscheidung wird Biomasse in einer sauerstoffarmen Atmosphäre bei Temperaturen von bis zu 900 Grad Celsius thermisch behandelt. Dabei entsteht ein festes Material, die sogenannte Biokohle, die zur Verbesserung von Böden eingesetzt werden kann. Ein bekanntes mechanisch-chemisches Verfahren ist Direct Air Capture (DAC). Bei dieser energieintensiven Luftfilterung wird Umgebungsluft mit großen Ventilatoren angesaugt und strömt über ein Filtermaterial, an dem die CO2-Moleküle haften bleiben.
Technologien für Negativemissionen: Teils beträchtliche Unterschiede in Potenzial, Aufwand, Kosten und deren Umwelteinflüssen; Quelle: BDEW / Climeworks
BECCS als Teil einer klimafreundlichen Gesamtstrategie
Wie die nebenstehende Abbildung zeigt, stehen die zuvor genannten Technologien jedoch vor großen Herausforderungen: So können die für die Aufforstung benötigten großen Flächen im Konflikt mit der Nahrungsmittelproduktion stehen, die Auswirkungen der Ozeandüngung lassen sich nur schwer in Modellversuchen darstellen und das DAC-Verfahren ist sehr energieintensiv und müsste in großem Umfang eingeführt werden, um signifikante Ergebnisse zu erreichen. Ob die Emissionen unterirdisch langfristig gelagert werden können, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend geklärt, hier scheiden sich die Expertenmeinungen. Negativemissionen allein retten natürlich nicht das Klima – sondern sind als Teil einer Gesamtstrategie zur Eindämmung des Klimawandels zu verstehen. Denn: Unser CO2-Kapital ist bald aufgebraucht und damit eine schnelle Dekarbonisierung unabdingbar. Fest steht, ohne den Einsatz von Negativemissionen ist das 1,5-Grad-Ziel nicht zu erreichen und damit eine fortschreitende drastische Verschärfung des Klimawandels zu erwarten. BECCS in Verbindung mit der Biomethanproduktion ist eine bereits in Teilen etablierte, effektive Technologie, die einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung der Atmosphäre leisten kann.
Bildquelle: Miguel A. Amutio / unsplash.com
Weiterführende Links:
- IPCC: Sonderbericht 1,5 °C Globale Erwärmung -Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger (2018)
- Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC Berlin): Vorsicht beim Wetten auf Negative Emissionen (November 2016)
- Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Die weitere Entwicklung von CCS-Technologien
- Umweltbundesamt: CO2-Entnahme aus der Atmosphäre muss sicher und nachhaltig sein (21.02.2019)
- BDEW: Das nehmen wir uns raus (05.07.2020)
- Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V.: Geoengineering-Technologien: Direct Air Capture (21.06.2019)
- Umweltbundesamt: Klimawandel der Meere (19.03.2019)
- Süddeutsche: Umsonst ist ehrgeiziger Klimaschutz nicht zu haben (2018)
- Europäische Kommission: Vorschlag für eine Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung des Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1999 (Europäisches Klimagesetz) (04.03.2020)