RED-II-Umsetzung: viele Chancen, wenig Ambition in der Verkehrswende
Deutschland zögert im Ausbau erneuerbarer Energien und setzt weiterhin auf fossile Lösungen und solche, die erst langfristig Emissionen sparen. Vernachlässigt werden dabei verfügbare und bezahlbare Technologien für einen sofort wirksamen Klimaschutz.
Ob die EU-Klimaziele 2030 überhaupt noch erreicht werden können, ist mit der aktuellen Umweltpolitik nicht mehr sicher – das prognostizieren Studien schon heute. Die EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) sieht mindestens 32 % erneuerbare Energien am Bruttoendverbrauch bis 2030 vor. Im Verkehr sollen es mindestens 14 % sein. Die Kommission plant sogar noch eine Verschärfung der Ziele im Rahmen des europäischen Klimagesetzes. Die Umsetzung der RED II in nationale Gesetzgebung bietet Deutschland die Chance, Treibhausgase schnell und mit einfachen Mitteln einzusparen: Indem sie verfügbare erneuerbare Energieträger wie Biomethan als fortschrittlichen Biokraftstoff einsetzt – und parallel neue Technologien wie die Elektromobilität und Wasserstoff als Energieträger fördert. Klar ist: Nur durch ein technologieoffenes und quellenneutrales Zusammenspiel im Sinne der Sektorenkopplung können die Ziele erreicht werden.
Deutschland setzt mehr auf fossil statt erneuerbar
Doch die deutsche Politik ist zögerlich im Ausbau erneuerbarer Energien. Das zeigte sich schon in der Verlängerung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG), das im Rahmen des Kohleausstiegsgesetzes Anfang Juli novelliert wurde. Das KWKG fördert die Energiebereitstellung durch Kraft-Wärme-Kopplung weiterhin auf Basis von fossilem Erdgas und macht den Einsatz erneuerbarer Brennstoffe in der KWK damit unwirtschaftlich.
Zum anderen zeigt sich Deutschland in der nationalen Umsetzung der RED II wenig ambitioniert. Man ist von der Fixierung auf einen Hoffnungsträger, der Vollelektrifizierung, übergegangen zu einem neuen Heilsbringer: Wasserstoff, auch in der Erreichung der Verkehrsziele. Geplant ist aber nicht die Förderung von Wasserstoff als Direktantrieb, sondern die Anrechnung von grünem Wasserstoff in Raffinerien – also bei der Produktion von fossilen Kraftstoffen. Dabei ist völlig unklar, wann mit signifikanten Mengen gerechnet werden kann, die den deutschen Bedarf auch nur in Ansätzen decken können. Bisher gibt es auschließlich Pilotprojekte mit verschwindend geringen Mengen und auch bis 2030 geht man davon aus, dass selbst bei Erreichen der Ausbauziele gerade einmal ein Zehntel dessen produziert werden kann, was eigentlich gebraucht wird. Aus klimapolitischer Sicht wird die überfällige Energiewende damit weiter hinausgezögert, da sich die Wasserstoffinfrastruktur noch in der Konzeptionsphase befindet und zudem enorm kostenintensiv ist. Darüber hinaus resultiert die Entscheidung in einer weiteren Förderung fossiler statt erneuerbarer Kraftstoffe. Im Ergebnis verharrt damit der reale Anteil erneuerbarer Kraftstoffe am Gesamtmarkt auf einem sehr niedrigen Status quo. Im Jahr 2019 betrug dieser gerade einmal 5,6 % – und lag damit bei dem gleichen Wert wie im Vorjahr. Der Anteil blieb unverändert gering. Im Umkehrschluss heißt das, dass nach wie vor 95 % der Kraftstoffe aus fossilen Quellen stammen. Doch auch wenn das 14-%-Ziel für 2030 voll erfüllt werden würde, so lege der Anteil fossiler Kraftstoffe immer noch bei 86 %. Wenn man sich gleichzeitig die noch geringeren Anstrengungen in der Verkehrswende ansieht, rückt das 100-%-saubere-Energie-Ziel für 2050 der EU in deutlich weitere Ferne.
Biokraftstoffe können sofortigen Klimaschutz bewirken
Die Frage lautet daher: Wie können wir den Verkehr schneller und günstiger dekarbonisieren? Die Antwort heißt: Technologieoffenheit und das Setzen auf erprobte, nachhaltige Energieträger. Von den aktuell 5,6 % erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehr entfällt der Löwenanteil (31,7 TWh von 36,9 TWh) auf Biokraftstoffe. Das zeigt: Sie leisten bereits heute einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende. Und es geht noch mehr. Der als fortschrittlich (da besonders nachhaltig) eingestufte Biokraftstoff Biomethan spielte bislang nur eine untergeordnete Rolle. Das ist in den regulatorischen Rahmenbedingungen begründet. Doch aktuelle Marktentwicklungen zeigen, dass die Biomethanversorgung auch im Verkehr gesteigert werden kann: Der Anteil von Biomethan am CNG-Kraftstoff ist von ca. 30 % im Jahr 2018 auf derzeit (Stand Juni 2020) 75 % gewachsen – Tendenz weiter steigend. 100 % könnten auch 2020 noch erreicht werden: Der CNG-Gesamtmarkt liegt bei rund 1,3 TWh. Bereits jetzt sind etwa 2 TWh an zertifiziertem Biomethan vorhanden, die ohne Nutzungskonkurrenz im CNG-Markt eingesetzt werden können.
Auch eine erhöhte Treibhausgasquote, die auf fortschrittliche Kraftstoffe setzt, könnte durch Biomethan bedient werden. Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI zeigt, dass sowohl eine kurz- als auch langfristige zusätzliche Nachfrage nach Biokraftstoffen mit den heute vorhandenen Mengen an Biomethan erfüllt werden kann. Die RED II sieht vor, den Anteil konventioneller Biokraftstoffe (also solcher, die aus nicht-nachhaltiger Biomasse hergestellt werden) bis 2030 sukzessive auf 0 % zu reduzieren. Daraus entstünde eine Versorgungslücke, die Biomethan füllen kann.
Das Motto muss heißen: Nur gemeinsam sind wir stark
Im Zuge der Umsetzung der RED II werden innerhalb des Bundesumweltministeriums statt Lösungsansätzen hypothetische Probleme erneuerbarer Energieträger diskutiert und wegen ungeprüfter, angeblicher Schwierigkeiten gedeckelt, wie aus internen Kreisen bekannt wurde. Das betrifft insbesondere bewährte Technologien wie Biokraftstoffe. Aber auch Treibhausgasminderungsquoten für Strom als Kraftstoff sollen zusätzlich limitiert werden. Keine Lösung bleibt frei von Herausforderungen – weder Strom als Direktantrieb, noch grüner Wasserstoff, noch strombasierte Kraftstoffe, noch Biokraftstoffe. Nach wie vor mit dem alten Diesel zur Arbeit zu fahren, ist jedoch die schlechteste Option von allen. Was klar ist: In der Erzeugung von fossilem Kraftstoff leistet grüner Wasserstoff keinen Klimabeitrag auf der Straße. Nachhaltige Biokraftstoffe schon: Über 90 % weniger Treibhausgase spuckt ein Biomethanauto im Vergleich zu einem Benziner aus.
Strom, grüner Wasserstoff und strombasierte Kraftstoffe werden zweifelsohne in Zukunft eine tragende Rolle in der Verkehrswende einnehmen – jedoch erst mittel- bis langfristig. Bis dahin entsteht eine Lücke, die geschlossen werden muss, um die Erreichung der Klimaziele nicht nachhaltig zu behindern. Fortschrittliche, nachhaltig erzeugte Biokraftstoffe sind bereits verfügbar, bezahlbar und nachweislich nachhaltig – können also schon heute einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten. Ein mit Biomethan betriebenes Fahrzeug ist nahezu klimaneutral unterwegs. In Verbindung mit CCS sind sogar Negativemissionen möglich: Bis zu 150 Mio. t CO2eq können der Atmosphäre in Europa jährlich entzogen werden. Die Forschung ist sich sicher, dass Negativemissionen in der Erreichung des 1,5-Grad-Ziels notwendig sind. Zusätzlich können mit Biomethan über 250 Mio. t CO2eq fossile Emissionen eingespart werden. Fortschrittliche Biokraftstoffe sind zwingend notwendig, wenn Deutschland die eigenen Klimaziele einhalten und wieder eine Vorreiterrolle im Umweltschutz einnehmen möchte.
Unsere Handlungsempfehlungen für die Politik:
- technologieoffene Diskussion mit stärkerem Fokus auf kurz- und mittelfristigen Lösungen
- Einführung einer Verpflichtung zur Vergärung von Bioabfällen und Gülle
- Erhöhung der Unterquote für fortschrittliche Biokraftstoffe
- Begrenzung des Einsatzes von Biomasse mit hohem iLUC-Risiko in außereuropäischen Drittstaaten
Bildquelle: fan yang / unsplash.com
WEITERFÜHRENDE LINKS
- Europäische Kommission: Für Klimaneutralität bis 2050: Kommission schlägt Europäisches Klimagesetz vor und startet Konsultation zum Europäischen Klimapakt (04. März 2020)
- Guidehouse: Gas for Climate – Gas Decarbonisation Pathways 2020–2050 (April 2020)
- Umweltbundesamt: Erneuerbare Energien in Zahlen (13. März 2020)
- Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI: Klimabilanz, Kosten und Potenziale verschiedener Kraftstoffarten und Antriebssysteme für Pkw und Lkw (September 2019)
- Tagesspiegel Background: Die Wasserstoffstrategie und das Lieferketten-Problem (03. Juli 2020)
- IPCC: Sonderbericht 1,5 °C Globale Erwärmung -Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger (2018)
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