RED-II-Umsetzung: Warum die Sorge um Biokraftstoffe unbegründet ist
Umweltverbände kritisieren in einem offenen Brief an die Bundesregierung pauschal die Nutzung von Biokraftstoffen. Die Kritik einer möglichen Flächenkonkurrenz basiert jedoch auf längst überholten Annahmen.
In einem Schreiben vom 16. Dezember 2020 zur Umsetzung der EU-Erneuerbare-Energien-Vorgaben (RED II) äußerten Umweltverbände ihre Sorge vor einer Flächennutzungskonkurrenz zu Nahrungs- und Futtermittelproduktion und indirekten Landnutzungsänderungen und lehnen Biokraftstoffe „grundsätzlich ab“. Diese Behauptungen lässt jedoch die bereits wirkungsvoll eingesetzte Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung außer Acht.
Zweifelsohne weisen konventionelle Biokraftstoffe ökologische Herausforderungen auf. Diese sind jedoch nicht alle auf eine Stufe zu heben, weshalb ihnen aus unterschiedlichen Richtungen begegnet werden muss: Darüber, dass Palmölerzeugnisse als Einsatzstoffe verbannt werden sollen, herrscht Einigkeit. „Einem weiteren Ausbau dieser Biokraftstoffe der ersten Generation kann entgegengewirkt werden, indem der Bestand auf dem heutigen Niveau eingefroren wird“, schlägt Zoltan Elek, Geschäftsführer des Biomethanhändlers Landwärme, vor. „Sie aber gänzlich und unverzüglich aus dem Markt zu nehmen, ist eine Radikalmethode, die dem Klima nur schadet.“ Schließlich machen Biokraftstoffe wie Biodiesel, Bioethanol und Biomethan derzeit über 90 % der Erneuerbaren im Verkehr aus. „Die Folge wäre wieder mehr Mineralöl im Tank.“
Die Sorge um Flächenkonkurrenz in Deutschland ist unbegründet: Umweltauswirkungen durch Kraftstoffe aus Nahrungs- und Futtermitteln werden in Deutschland durch die Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung adressiert und minimiert. Die Flächen sind ohnehin bereits begrenzt. Landwirtschaftlich genutzte Flächen sind zugunsten von Bebauungen ohnehin rückläufig, während Waldflächen steigen. Auch die Anbauflächen für nachwachsende Rohstoffe haben sich seit 2010 auf einem stabilen Niveau eingependelt.
Auch indirekten Landnutzungsänderungen (indirect land use change, ILUC) gebietet die Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung Einhalt. Zudem gibt es ein einfaches System, das zur zusätzlichen Kontrolle eingesetzt werden kann: Die EU bietet mit den ILUC-THG-Werten ein sinnvolles Instrumentarium. Um als Biokraftstoff vermarktet werden zu können, unterliegt die Herstellung einer Zertifizierungspflicht. Dabei muss nachgewiesen werden, dass Treibhausgasemissionen in der Wertschöpfungskette reduziert werden. Das umfasst die THG-Reduktion vom Anbau der Biomasse bis hin zum Verdichter an der Tankstelle. Für ILUC sieht das deutsche System bislang keine THG-Werte vor. Würden die EU-ILUC-Werte auch hierzulande berücksichtigt, würde ein nachhaltigerer Anbau rein wirtschaftlich attraktiver werden – und andersherum der Absatz solcher Kraftstoffe mit schlechter THG-Bilanz unwirtschaftlich. „Das gleiche System könnte übrigens auch auf fossile Kraftstoffe erweitert werden“, erklärt der Elek. „THG-Wert-Berechnungen für Rohöl anzusetzen, würde Mineralölunternehmen dazu bewegen, die Wertschöpfungskette genauer zu betrachten. Dabei würden Bereiche ausgemacht, in denen Effizienzmaßnahmen ergriffen werden können.“
Darüber hinaus äußern die Verbände Sorge vor mangelnder Verfügbarkeit nachhaltiger, fortschrittlicher Biokraftstoffe aus Abfall- und Reststoffen wie Biomethan. „Eine Erfüllung höherer Quoten bereits im kommenden Jahr ist durchaus mit den vorhandenen Mengen unproblematisch,“ klärt der Landwärme-Chef auf. „Ab 2021 wird das Bio-LNG-Segment an Bedeutung gewinnen. Die neuen Standardwerte aus der RED II für die Produktion von nachhaltigem Biokraftstoff machen Biomethan im Tank noch attraktiver. Außerdem steigt die Nachfrage nach Bio-LNG rasant an. Hierzulande sind die Mengen auch noch nicht ausgereizt: Viele Biomethanproduzierende stellen derzeit um auf die Erzeugung von Kraftstoffbiomethan. Zusätzliche Erfüllungsoptionen einer erhöhten THG-Quote sehen wir im Import grüner Gase wie Bio-LNG, grünem Wasserstoff oder Biomethan.“
„Um Unklarheiten aufzuklären und das volle Potenzial aller Möglichkeiten auszuschöpfen, brauchen wir unbedingt einen gemeinsamen Austausch aller Beteiligten zur Thematik statt fundamentaler, unbegründeter Ablehnung“, wünscht sich Elek. „Nur so können wir zusammen mehr Klimaschutz im Verkehr erreichen!“
Bildquelle: Countrypixel / stock.adobe.com
WEITERFÜHRENDE LINKS
- Bundesamt für Justiz: Verordnung über Anforderungen an eine nachhaltige Herstellung von Biokraftstoffen
- Deutsche Umwelthilfe: Offener Brief der Umweltverbände (16.12.2020)
- Statista: Landwirtschaftliche Nutzfläche in Deutschland in den Jahren 1949 bis 2019 (November 2019)
- Statista: Anbaufläche für nachwachsende Rohstoffe in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2019 (Oktober 2020)
VERWANDTE ARTIKEL
- Verkehr: BMU setzt alles auf die Elektrokarte (21. Dezember 2020)
- RED II: Faktencheck BMU-Erklärungen (04. Dezember 2020)
- RED-II-Entwürfe: Verzerrte Einsparungen sorgen für mehr Emissionen im Verkehr (02. Dezember 2020)
- Verkehrspolitik: Klimaziele schon jetzt auf der Kippe (12. November 2020)