Stromquote: Das Cum-Ex der Verkehrspolitik?
Der Kabinettsbeschluss des novellierten BImSchG und der Referentenentwurf der 38. BImSchV öffnen den Weg für weitreichenden Missbrauch bei der Stromquote.
Falsche Konzeption sorgt für doppelte Zählung von Ladestrom
Egal ob Elektroautos zuhause oder an öffentlichen Ladesäulen „tanken“, beides kann die Kraftstoffindustrie auf ihre Treibhausgasminderungs-(THG-)Quote anrechnen – und zwar nicht nur dreifach, sondern potenziell beliebig oft. Mit der Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) und der 38. BImSchV ist weiterhin vorgesehen, sowohl den Strom aus öffentlichen Ladungen als auch einen Schätzwert für die private Ladung anzurechnen.
Bei öffentlichen Ladestationen wird der Strom verbrauchsgenau gezählt, für private E-Autos geht man hingegen nicht nach dem tatsächlich geladenen Strom an privaten Wallboxen und Steckdosen, sondern nach einem Schätzwert, den das Umweltbundesamt (UBA) veröffentlicht. Als Nachweis reicht die Kopie des Fahrzeugscheins.
Nun wohnen rund zwei Drittel aller Deutschen in einer Wohnung statt im eigenen Haus und werden daher mittelfristig fast ausschließlich an öffentlichen Säulen laden. Die THG-Minderung aus diesem Fahrstrom vermarkten die Ladesäulenbetreiber an Mineralölkonzerne. Gleichzeitig können Fahrzeughalter:innen aber durch die Vorlage des Fahrzeugscheins zusätzlich THG-Quote generieren und verkaufen – egal, ob sie zuhause oder öffentlich laden. Diese doppelte Zählung des Ladestroms verfälscht die tatsächliche Emissionsreduktion in der THG-Quote und den Erneuerbaren-Anteil im Verkehr.
Hinzu kommt, dass diese geplante System großes Betrugspotenzial birgt: Beispielsweise sind bislang keine Kontrollmechanismen geplant, die eine mehrfache Einreichung der Fahrzeugscheine über mehrere Dienstleister (die die Stromquote gebündelt vermarkten) ausschließen oder überhaupt sicherstellen, dass das Fahrzeug noch auf die Eigentümer zugelassen oder gar im Einsatz ist. Ein Prinzip, das an das Cum-Ex-Vorgehen erinnert.
In der niedrigen THG-Quote nimmt Ladestrom durch diese „Zigfach“-Anrechnung einen immer größeren Raum ein. Mittel- bis langfristig führt das erst einmal zur Verdrängung aller anderen alternativen Antriebe wie PtX, Wasserstoff und Biokraftstoffen – und damit zu noch geringeren Einsparungen von Emissionen. Langfristig führt das Überangebot an THG-Quote aus Ladestrom dazu, dass sie wertlos wird. Und so hat das System am Ende nur einen Gewinner: die Mineralölkonzerne durch den damit steigenden Absatz von Diesel und Benzin.
Kryptowährung im Tesla schürfen? Überförderung der Elektromobilität führt zu skurrilem Betrugspotenzial
Deutschland fördert die Elektromobilität an allen Enden, nicht nur über die THG-Quote:
- Der Kauf eines E-Autos wird mit einer Innovationsprämie bis zu 9.000 € bezuschusst,
- eine Wallbox zum Laden für zuhause mit bis zu 900€,
- an vielen Stellen ist öffentliches Laden heute schon kostenfrei und
- die Treibhausgasminderungsquote aus Fahrstrom soll ab 2022 dreifach zählen.
Da es kaum Kontrollmechanismen gibt, ist es kein Wunder, dass schon erste nicht ganz legale Geschäftsideen die Runde machen, wie der öffentlich geladene Strom anderweitig genutzt werden kann: Bitcoin-Mining im Tesla-Kofferraum mit kostenlosem Strom aus dem Supercharger kann sich mit den vielen Förderungen zum Beispiel lohnen – sowohl für den Ladesäulenbetreiber als auch für die Wagenbesitzerin. Oder eben das Eigenheim über das E-Auto mit Strom aus öffentlichen Ladepunkten versorgen.
„Jede Tonne ‚gefälschter‘ oder doppelt angerechneter Quote führt zu zusätzlichen fossilen Emissionen aus Rohöl“, moniert Landwärme-Geschäftsführer Zoltan Elek. „Alle Maßnahmen müssen daher anhand ihrer Klimaschutzwirkung an die THG-Quote angerechnet werden und Mehrfachanrechnungen vermieden werden“, appelliert er an die Bundesregierung.
Bildquelle: bayern-reporter_com / pixabay.com
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