Entscheidung zum Klimaschutzgesetz: Rote Karte für die Klimapolitik der Bundesregierung
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat der zögerlichen Klimapolitik der Bundesregierung die rote Karte gezeigt. In seinem richtungsweisenden Beschluss vom 24.03.2021 stellte es insbesondere fest, dass entscheidende Antworten auf die Frage, wie wir unsere CO2-Emmissionen mindern müssen, nicht auf die Jahre nach 2030 verschoben werden dürfen. Das erst im Dezember 2019 in Kraft getretene Klimaschutzgesetz (KSG) gebe in diesem Punkt keinen ausreichenden Fahrplan vor und sei deshalb in Teilen verfassungswidrig.
Jetzt soll plötzlich alles ganz schnell gehen, kündigt die Bundesregierung an. Noch innerhalb dieser Legislaturperiode solle nachgebessert werden. Man ist sich einig: der Beschluss der Karlsruher Richter*Innen gibt ein klares Signal, dass die bisherigen Anstrengungen nicht ausreichen. Was genau bedeutet der Beschluss des höchsten deutschen Gerichts? Die Beschwerdeführer*Innen, wie etwa Felix Ekardt und die Anwältin Franziska Heß, die für den BUND eine der Verfassungsbeschwerden vertreten haben, sehen den Beschluss als Durchbruch.
KSG nicht in Gänze verfassungswidrig
Erst einmal muss festgestellt werden, dass das BVerfG nicht das ganze Klimaschutzgesetz für verfassungswidrig erklärt hat. Dem Gesetzgeber stehe auch in Sachen Klimaschutz eine Einschätzungsprärogative zu, von der er Gebrauch machen dürfe. Hier sehen die Richter*Innen den grundsätzlich vorgegebenen Pfad als positiv an. Die Bundesregierung hat sich im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens zur Begrenzung des Temperaturanstieg auf unter 2 Grad Celsius – besser 1,5 Grad Celsius verpflichtet. Wie man dorthin gelangt, bleibt den einzelnen Ländern zunächst freigestellt. Jedenfalls müssen sie jedoch Maßnahmen ergreifen, die geeignet sind, dieses Ziel zu erreichen. Umgesetzt wurden die Vorgaben vom deutschen Gesetzgeber bereits unter dem Schlagwort Naturschutz im Grundgesetz (Art. 20a GG), der im Anschluss durch das KSG in Sachen Klima ausgestaltet und mit Leben gefüllt wurde. Die Bundesregierung ist also prinzipiell tätig geworden.
Konkreter Fahrplan auf Kollisionskurs
Worin die Karlsruher Richter*Innen vielmehr einen Verstoß gegen die Verfassung sehen ist, dass der Gesetzgeber versäumt habe, einen für die Klimaziele ausreichenden Fahrplan vorzugeben. Genauer gesagt einen, der dazu führt, dass auch noch künftige Generationen in der Lage sein werden, ihre grundrechtlich verbürgten Freiheitsrechte in vollem Umfang ausleben zu können. Das Gericht stellt fest: Fahren wir weiter auf diesem Kurs – den uns die Bundesregierung vorgibt – steuern wir allerspätestens in den Jahren nach 2030 auf einen Eisberg zu. (Auch wenn dieser bis dahin vermutlich geschmolzen sein wird). Nach Erkenntnissen der Wissenschaft bliebe für Deutschland bis zum Anstieg der Temperatur in einen als kritisch angesehenen Bereich (also mehr als 2 Grad) ein gewisses Maß an CO2 -Äquivalenten übrig, das unser Land bis dahin verbrauchen darf: in etwa 7 Gigatonnen. Mit den Plänen der Bundesregierung sind aber bis 2030 bereits etwa 6 Gigatonnen aufgebraucht. Die Regelungen des KSG seien deshalb insoweit verfassungswidrig, als dass, so das Urteil, sie „unverhältnismäßige Gefahren der Beeinträchtigung künftiger grundrechtlicher Freiheit begründen“. Weil die im KSG für die nächsten Jahre vorgesehenen Emissionsmengen die nach 2030 noch verbleibenden Emissionsmöglichkeiten erheblich reduzieren, „muss der Gesetzgeber zur Gewährleistung eines freiheitsschonenden Übergangs in die Klimaneutralität hinreichende Vorkehrungen treffen“. Man darf also nicht so lange auf Kollisionskurs steuern, bis das Ausweichen nur noch unter größter – dann freiheitsverkürzender Art und Weise – möglich ist. Die jungen Generationen, zu denen auch ein Teil der Beschwerdeführer*innen gehören, hätten ein Anrecht, dass die jetzige Generation dafür sorgt, dass die Welt auch noch in Zukunft ohne größtmögliche Einschränkungen bewohnbar ist. Es fehle an den „grundrechtlich zur Freiheitssicherung über Zeit und Generationen hinweg gebotenen Vorkehrungen zur Abmilderung der hohen Emissionsminderungslasten, die der Gesetzgeber mit den angegriffenen Vorschriften auf Zeiträume nach 2030 verschoben hat“.
Wo geht es hin?
Was bedeutet der Beschluss nun aber für Deutschland und die Welt? Nach seiner Verkündung waren die führenden politischen Vertreter*Innen bemüht, dieses deutliche Signal als tollen Erfolg und Handlungsanstoß zu sehen. Innerhalb weniger Tage und Wochen wolle man nachbessern. CSU-Parteivorsitzender Markus Söder schrieb wenige Tage später bereits einen seiner markant-knackigen Aufrufe: „Mehr Kohle für weniger Kohle“. Es sollen politische Anreize gesetzt werden, dass die Kohleindustrie eigenständig einen Ausstieg vor 2038 forciere. Ob solche Pläne wirklich ausreichen werden, den CO2-Ausstieg innerhalb des laufenden Jahrzehnts ausreichend zu reduzieren, damit auch im nächsten Jahrzehnt ein freiheitliches Leben, wie wir es kennen, möglich sein wird, bleibt abzuwarten. Gerade im Verkehrssektor gibt es noch weiteres enormes Einsparungspotenzial. Dafür braucht es geballte Anstrengungen aller erneuerbarer Energieträger. Gerade Biomethan kann einen wichtigen Beitrag leisten, beispielsweise im Personen– und Schwerlastverkehr erhebliche kurzfristige CO2-Minderungen zu bewerkstelligen.
Bildquelle: Bobby Stevenson / unsplash.com
WEITERFÜHRENDE LINKS
- Bundesverfassungsgericht – Presse – Verfassungsbeschwerden gegen das Klimaschutzgesetz teilweise erfolgreich (29.04.2021)
- Nein zur Aufschieberitis – klimareporter° (29.04.2021)