Energiesicherheit: Biomethan in Krisenzeiten erst recht der Joker
Die aktuelle Energiekrise verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig stabile Energiequellen sind. Die Diskussion der vergangenen Monate über Wege aus der Abhängigkeit von russischem Gas, hat gezeigt: Heimisch erzeugtes Biomethan kann die Gaskrise abmildern, das titelte jüngst auch die Tagesschau und bezieht sich auf eine Studie des Deutsche Biomasseforschungszentrums (DBFZ) und des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie.
EU setzt auf Biomethan als stabiles Element
Denn auch die EU setzt u.a. auf Biomethan: Mit dem REPowerEU-Plan will die EU-Kommission das europäische Energiesystem umgestalten und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland verringern. Dabei will sie die Biogasproduktion beschleunigen und die Biomethanmenge in der gesamten Union mehr als verzehnfachen: von heute 3 Mrd. m3 auf 35 Mrd. m3 bis 2030.
Studien zeigen: Das 10-fache an Biomethan in Deutschland ist möglich
Das Potenzial kann rasch gehoben werden: Der DBFZ-Studie zufolge kann sich der Anteil von Biomethan am deutschen Gasmarkt insgesamt verdreifachen. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) schätzt, dass in Deutschland pro Jahr 100 Terawattstunden (TWh) Biomethan erzeugt und ins Gasnetz eingespeist werden. Dies entspricht etwa einem Fünftel der Erdgasmenge, die Deutschland im vergangenen Jahr an russischem Erdgas verbraucht hat. Heute sind es etwa 10 TWh.
Deutschland muss den EU-Plänen nun Rechnung tragen. Nach dem für die Bioenergie enttäuschenden Osterpaket, durch das wir in der Energiesicherung aus Biogas und Biomethan nun ein halbes Jahr Planungszeit Verlust verzeichnen, scheint sich der Wind zumindest vorsichtig zu drehen. Die letzten Signale aus der Politik in der Sommerpause sind zunächst positiv zu bewerten: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kündigte im Juli an, die bislang vorgeschriebene jährliche Maximalproduktion für Biogas auszusetzen. Ende August versprach Patrick Graichen, Staatssekretär im Wirtschafts- und Klimaschutzministerium (BMWK), die Biogasproduktion auszuweiten und Hemmnisse mit dem Energiesicherheitsgesetz abzuschaffen.
Den Worten müssen nun Taten folgen. Darüber hinaus sind weitere Schritte nötig, wenn Deutschland es ernst meint mit der Energiesouveränität.
LNG-Terminals Bio- und Wasserstoff-ready aufziehen
Um sich mit den neuen LNG-Terminals nicht über Jahrzehnte an fossile Brennstoffe zu binden, müssen sie energiewendedienlich und mit den Klimazielen vereinbar geplant werden. Demnach ist, damit LNG-Terminals die Infrastruktur des zukünftigen, erneuerbaren Gasmarkts optimal unterstützen und den Übergang von fossilen zu erneuerbaren Brennstoffen fördern anstatt verhindern, neben der Wasserstoff- auch die Bio-LNG-Readiness essenziell. Bio-LNG, also verflüssigtes Biomethan, ist im Gegensatz zu Wasserstoff ein schnell verfügbarer, erneuerbarer Energieträger, der bereits mittelfristig den Schwerlastverkehr dekarbonisieren kann.
Dazu gehört u.a.:
- eine Zertifizierung nach ISCC oder REDcert zum Nachweis der Herkunft und Nachhaltigkeit
- eine umfassende Beachtung europäischer Vorgaben (Anteile erneuerbarer Energien, Treibhausgasminderungspflichten, Klimaziele, Vereinbarkeit mit u.a. demokratischen & naturschutzrechtlichen Grundsätzen)
- Entladepunkte für Tank-Lkw und ISO-Container für eine effiziente Verteilung von LNG und Bio-LNG
- Verflüssigungsanlage für mehr Flexibilität bzgl. Aggregatzustand des Energieträgers (Gas und Flüssiggas)
- saubere virtuelle Trennung von Bio-LNG und fossilem LNG in der Massenbilanz
Klimawirkung im Verkehr erhalten: Absenkung der Obergrenze für Biokraftstoffe nachhaltig kompensieren
Das Bundesumweltministerium (BMUV) überlegt laut ersten Berichten aus dem Frühsommer, die Obergrenze für Biokraftstoffe aus Nahrungs- und Futtermitteln, also Biodiesel und Bioethanol, ab 2023 abzusenken, um die Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion abzumindern. Das darf jedoch nicht zulasten des Klimaschutzes geschehen.
Erklärtes Ziel muss es sein, die erst 2021 festgesetzte Treibhausgas(THG-)minderung im Verkehr beizubehalten, also die THG-Quote in ihrer Steigerung nicht abzusenken. Der wegfallende Klimabeitrag von Biokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermitteln muss durch andere erneuerbare Antriebe kompensiert werden, um weiterhin die Emissionen im Verkehr zu reduzieren.
Um die Treibhausgasminderung aufzufangen, steht Biomethan zur Verfügung: Der Anteil nachhaltiger, auf Rest- und Abfallstoffen wie Gülle basierender, fortschrittlicher Biokraftstoffe (Biomethan) muss entsprechend hochgeregelt werden. Dazu stehen bereits für 2023 kurzfristig folgende Optionen zur Verfügung:
- Die Nutzung fortschrittlicher, gasförmiger Kraftstoffe (Biomethan) aus der EU als Alternative zu Erdgas in Lkw und Pkw (Bio-CNG)
- Im EU-Ausland verflüssigtes, zertifiziert nachhaltiges Biomethan (Bio-LNG) deutschen Ursprungs zum Einsatz im Schwerlastverkehr
In Summe ist damit eine Reduktion der Treibhausgasemissionen in Höhe von 1,5 Mio. t bereits in 2023 möglich. Das entspricht bereits über der Hälfte der Emissionen, die durch die Pläne des BMUV entfallen.
Diese Maßnahmen tragen auch den REPowerEU-Plänen Rechnung, unterstützt die Diversifizierung der Energie- bzw. Kraftstoffbeschaffung auf nachhaltigem Wege zur Reduktion der Abhängigkeit von Lieferungen aus Drittländern und sichert die Energieversorgung in Deutschland.
Eine lediglich rechnerische Kompensation zum Beispiel durch eine Erhöhung der Mehrfachanrechnung der Elektromobilität ist abzulehnen. Das sind nur Luftbuchungen, die dem Klima am Ende nur schaden.
Kostenteilung zwischen Netzbetreibern & Anlagen
Wichtig ist auch eine sinnvolle Verteilung der Kosten des Gasnetzzugangs. Die Kosten des Anschlusses müssten fair aufgeteilt und von dem Übertragungsnetzbetreiber, den Verteilnetzbetreibern und den Produzierenden getragen. Eine entsprechende Änderung der Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV) ist derzeit in der Novellierung. Diese Maßnahme schafft Flexibilität am Markt und Investitionssicherheit für die Betriebe. Im Endausbau kann dies über 20 % des Gasimportes aus Russland nachhaltig kompensieren (bezogen auf die durchschnittlichen Importmengen aus Russland 2018 – 2020).
Biomethan geht auch bienenfreundlich und ohne Mais
Die vorgebrachten Argumente gegen Biogas und Biomethan wie die häufig geführte „Tank-vs-Teller-Debatte“, eine befürchtete „Vermaisung“ der Landwirtschaft und eine vermeintlich schlechte Klimabilanz sind aus heutiger Sicht nicht mehr valide. Biogas und Biomethan stehen trotz der weit verbreiteten Auffassung nicht unbedingt in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion. Der Trend und die europäische Regulatorik gehen weg von Mais und klassichen Energiepflanzen hin zu mehr Gülle, Abfall und Reststoffen. Eine Verwertungs- bzw. Vergärungspflicht von Gülle und Abfällen sowie der gezielte Einsatz von insektenfreundlichen Pflanzen sichert langfristig die Ressourcen zur Biomethanerzeugung, nutzt Abfallstoffe energetisch und leistet ein Beitrag für mehr Biodiversität – und damit auch die Biene.
Olaf Scholz‘ Zeitenwende muss also gleich die Weichen für eine saubere Energieversorgung stellen. Technologieneutralität muss jetzt erst recht an erster Stelle stehen und Biomethan zur Abmilderung der Klimakrise gefördert werden. Alles, was an erneuerbaren Energie zusätzlich bereitgestellt werden kann, muss von der Gesetzgebung ermöglicht werden. Der BDEW hat in seinem 10-Punkte-Papier für Biomethan ebenfalls Maßnahmen zur Förderung von Biomethan vorgeschlagen. Auch das Hauptstadtbüro Bioenergie hat dazu ein Sofortmaßnahmenprogramm vorgelegt.
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WEITERFÜHRENDE LINKS
- Berliner Energietage: Orientierungswissen Energiekrise (24.08.2022)
- Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW): 10 Punkte für eine Beschleunigung der Biomethaneinspeisung (20.06.2022)
- Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW): Gas kann grün: Die Potentiale von Biogas/Biomethan (26.04.2019)
- Deutsches Biomasseforschungszentrum, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie: Kurzstudie zur Rolle von Biogas für ein klimaneutrales, 100 % erneuerbares Stromsystem 2035 (07.07.2022)
- Europäische Kommission: REPowerEU: Kommission will Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland schnell verringern (18.05.2022)
- Hauptstadtbüro Bioenergie: Sofortmaßnahmen zum Ausbau der Einspeisung von Biomethan ins Gasnetz (19.08.2022)
- Lehmann, Norbert. Agrarheute: Habeck reißt bei Biogas und Photovoltaik die Deckel herunter (27.07.2022)
- Rostek, Sandra (Hauptstadtbüro Bioenergie): Potenzial von Biogas in der zukünftigen Energieversorgung. (ca. Min. 23:30) In: Zukunft Gas: Gas in Zukunft – Heimische Förderung und Biogas (06.05.2022)
- Tagesschau: Wie Biogas die Gaskrise mildern könnte (03.08.2022)