NATIONALE BIOMASSESTRATEGIE: ENERGETISCHE NUTZUNG MIT BIOMETHAN SICHERT NACHHALTIGE ENERGIEVERSORGUNG
Der aktualisierte Entwurf der Nationalen Biomassestrategie räumt zwar Biogas und Biomethan eine Rolle ein. Damit sie jedoch ihren langfristigen Klimabeitrag leisten können, bedarf es weiterer Nachjustierung, auch, um CO2 wieder aus der Atmosphäre zu nehmen.
Um Biomasseströme künftig bestmöglich, zielgerichtet und nachhaltig zu lenken, erarbeiten das Bundesumweltministerium (BMUV), das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) und das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) eine Nationale Biomassestrategie. Nach dem Erstentwurf im Oktober 2022 hat der im Februar diesen Jahres bekannt gewordene neue Entwurf einen großen Schritt nach vorn gemacht und sieht für Biogas und Biomethan nun – anders als in der Erstfassung – eine Rolle vor. So soll Biogas vornehmlich als Flexibilitätsoption im Stromsektor zum Ausgleich von Wind- und Solarkraft verstärkt genutzt werden. Darüber hinaus setzt die NABIS vor allem auf Nachhaltigkeit und die Nutzung von vornehmlich Rest- und Abfallstoffen, Gülle oder Zwischenfrüchte.
Zugleich enthält der Entwurf große Einschränkungen für die energetische Nutzung von Biomasse und sieht einige Hemmnisse vor. Damit Biogas und Biomethan einen signifikanten Beitrag zu einer nachhaltigen, verlässlichen und insbesondere klimafreundlichen Energieversorgung leisten können, bedarf es weiterer Anpassungen. Dabei sind folgende Punkte zu beachten:
- Biomasse muss differenziert betrachtet werden.
- Die stoffliche und energetische Nutzung der einzelnen Biomassearten muss sinnvoll kaskadiert und bestenfalls kombiniert werden.
- Eine energetische Nutzung von Biomasse darf nur noch im Zusammenspiel mit Carbon Direct Removal bzw. Carbon-Capture-and-Storage (CCS-)Technologien erfolgen.
- Die Energieerzeugung aus Biomasse darf nicht auf eine Brückentechnologie reduziert werden, da sie grünen Wasserstoff und erneuerbaren Strom perfekt ergänzt.
Damit die NABIS also wirklich ein sinnstiftendes, umfassendes Konzept darstellen kann, muss noch an einigen Stellschrauben gedreht werden. Der wichtige Beitrag von Biomasse als Energiequelle muss weiterhin aufrechterhalten und nachhaltig ausgestaltet werden.
BIOENERGIE SCHON HEUTE MIT WICHTIGER ROLLE BEI NACHHALTIGER ENERGIEERZEUGUNG
Die Bioenergie spielt eine tragende Rolle in der Energiewende. Das zeigt auch ein aktueller Bericht der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR): Demnach lieferten Bioenergie und biogene Abfälle im Jahr 2022 57% der in Deutschland verbrauchten erneuerbaren Energie.
1. DIFFERENZIERTE BETRACHTUNG VON BIOMASSE
Der Begriff Biomasse repräsentiert eine Vielfalt an natürlichen Rohstoffen. Biomasse bezeichnet sowohl Altpapier als auch die Apfelreste im Mülleimer, und schließt zudem Wald und Wiese sowie Landwirtschaft und landwirtschaftliche Nebenprodukte wie Gülle mit ein. Eine nationale Strategie muss demnach auch die Verwertung von Biomasse differenzieren.
Um für verschiedene Arten von Biomasse die optimale Verwertung zu sichern, müssen die Nachhaltigkeitskriterien überarbeitet werden. So ist beispielsweise Holz anders zu bewerten als Abfall- und Reststoffe oder Zwischenfrüchte. Holz ist in der stofflichen Nutzung, insbesondere im Baugewerbe am sinnvollsten eingesetzt, Altholz hingegen in Müllheizkraftwerken – in Verbindung mit Carbon Capture and Storage (CCS).
Für organische Rest- und Abfallstoffe wie Inhalte der Biotonne ist, wie im Entwurf vorgeschlagen, eine Vergärungspflicht mit anschließender Fermentierung und damit eine energetische Nutzung in Form von Biomethan sinnvoll. So können die Potenziale für Energieerzeugung und Negativemissionen deutlich gehoben werden.
Um die Bodenqualität zu verbessern und Stickstoff zu binden, werden in der Landwirtschaft im Wechsel zur Hauptfrucht Zwischenfrüchte wie Kleegras angebaut. Einige dieser Zwischenfrüchte können in Biogasanlagen zur Energieerzeugung beitragen. Solche Energiepflanzen sind eine wertvolle Erweiterung in der Fruchtfolge und stehen in keiner Konkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion. Die bei der Biogasherstellung übrigbleibenden Gärreste können als Dünger zusätzlich stoffliche Verwertung finden – eine sinnvolle Kaskade sollte demnach ebenfalls definiert werden.
2. NACHHALTIGE KREISLAUFWIRTSCHAFT: STOFFLICHE UND ENERGETISCHE NUTZUNG IM ZUSAMMENSPIEL
Eine kaskadierende Nutzung ermöglicht es, das Maximum aus Biomasse herauszuholen. So muss für jede Art der Biomasse die richtige Kaskadennutzung eruiert werden. Damit ergänzen sich im besten Fall stoffliche und energetische Nutzung:
- Zu biobasiertem Kunststoff verarbeitete Biomasse wird zunächst stofflich genutzt. Nach Ende der Nutzbarkeit kann es im Müllheizkraftwerk erneuerbare Energie bereitstellen.
- Für den bereits existierenden Güllebestand (ohne Ausbau der Tierhaltung) eignet sich die energetische Verarbeitung zu Biogas und Biomethan am besten – so kann kein Methan mehr frei auf dem Feld emittieren. Die bei der Fermentierung anfallenden Gärreste schließen den Kreislauf, indem sie als organisches Düngemittel dienen. Ähnliches gilt für Zwischenfrüchte und Blühwiesen. Die Zielsetzung im NABIS-Entwurf, die Güllevergärung bis 2030 zu verdoppeln, ist positiv hervorzuheben.
- Für Holz muss die stoffliche Nutzung vor der energetischen Nutzung stehen. Als Bauholz ermöglicht es nachhaltiges Bauen. Ausgedientes Altholz sollte der energetischen Nutzung zugeführt werden. Am effizientesten ist es in Müllheizkraftwerken mit hoher Wärmenutzung – in Verbindung mit Carbon Capture and Storage am Kraftwerk.
Notwendig ist also eine gezielte Untersuchung von Verwertungspfaden.
3. ENERGETISCHE NUTZUNG NUR NOCH MIT CCS
Im Einklang mit der im Februar veröffentlichen Carbon-Management- und der langfristigen Negativemissionsstrategie (CMS & LNe) müssen Carbon Removal-Lösungen bei der energetischen Nutzung im Vordergrund stehen. Carbon Removal bedeutet in diesem Zusammenhang das Abscheiden, Verflüssigen und nachhaltige Speichern von CO2, das in verwendeter Biomasse gespeichert ist und im Verwertungsprozess wieder aufgefangen wird – also eine Art von CCS.
Durch eine Kombination von CCS mit der Biomethanerzeugung zum Beispiel werden jegliche Gasströme effizient genutzt. Bis zu 2,5 Millionen Tonnen biogenes CO2 könnten allein in Deutschland bereits jetzt jährlich der Atmosphäre entzogen werden. So werden langfristig dringend notwendige Negativemissionen ermöglicht, die die Bundesregierung in den genannten Strategien fordert. Die Voraussetzung, die in der Nationalen Biomassestrategie verankert sein sollte: Jegliche energetische Nutzung von Biomasse muss zeitgleich „CCS-ready“ sein. Als solche kann Biomethan nicht nur heute, sondern langfristig im Energiesystem einen wichtigen Beitrag leisten: Bereitstellung erneuerbarer Energie und dringend nötiges Carbon Removal.
4. BIOMETHAN KANN MEHR ALS NUR EINE BRÜCKE SEIN
Biogas und Biomethan dürfen nicht also auf die Funktion der Brückentechnologie reduziert werden. In Kombination mit Carbon Removal ist die Erzeugung bereits klimapositiv, stabilisiert natürliche Kreisläufe und schafft Wertschöpfung sowie Arbeitsplätze, insbesondere in ländlichen Regionen.
Langfristig können in einem Dreiklang von grünem Methan, erneuerbarem Strom und grünem Wasserstoff Synergien geschaffen werden: So kann Biomethan dort aushelfen, wo die Elektrifizierung an ihre Grenzen stößt und grüner Wasserstoff zu teuer oder noch nicht verfügbar ist.
Insbesondere bei der Abdeckung von Spitzenlast kommt Biogas, bzw. Biomethan durch seine Speicherfähigkeit eine zentrale Bedeutung zu. Dass der Entwurf der Biomasse zur Stromerzeugung zunächst eine wichtige Rolle zuschreibt, ist zu begrüßen.
NACHFRAGE ANREGEN, UM BIOMETHAN ZU FÖRDERN
Damit sie auch langfristig seinen wichtigen Beitrag zum Klima-, Natur- und Umweltschutz leisten kann, muss die Bioenergie nicht nur in der Nationalen Biomassestrategie verankert werden, sondern auch regulatorisch. So bedarf es für Planungssicherheit in der Branche erhöhter Anreize in der Treibhausminderungsquote für den Einsatz im Verkehr oder im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). So moniert auch Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas: Bei weiterhin so geringen Ausschreibungsvolumina im EEG werden „viele Bestandsanlagen keine wirtschaftliche Chance erhalten, ihre Anlagen weiter zu betreiben und fehlen dann als Back-Up-Kraftwerke im Energiesystem von morgen“.
Die EU hat klare Ziele: 2030 sollen 35 bcm Biomethan durch Europas Gasleitungen fließen – eine Verzehnfachung der heutigen europäischen Erzeugung. Die erste Energievereinbarung zwischen der EU und der Ukraine priorisiert zudem Biomethan neben Wasserstoff als Energiequelle der Zukunft. Jetzt kann Deutschland den noch vorhandenen Knowhow-Vorsprung in der Biomethanerzeugung nutzen, um die Weichen für Klima- und Umweltschutz zu stellen und den EU-Vorgaben Rechnung zu tragen:
- Erzeugung hochregeln und auf Nachhaltigkeit fokussieren:
- Einfach zugängliche Förderprogramme sowie schnellere, unbürokratische Genehmigungsverfahren einrichten, um den Anlagenzubau zu beschleunigen;
- Vergärungspflicht für Gülle und Bioabfall für ein Mehr an nachhaltigen Einsatzstoffen einführen;
- Blühwiese als Rohstoff für mehr Bienenschutz auf Feldern ermöglichen.
- Verkehr: höhere Anforderungen an Emissionsminderungen der Mineralölindustrie durch Anhebung der Treibhausgasminderungsquote setzen Anreize für den Einsatz besonders nachhaltigen Biomethans auf Basis von Rest- und Abfallstoffen wie Gülle.
- Regionale vs. globale Biokraftstoffe: Um die Nutzung von Biokraftstoffen nachhaltig auszubauen, ist es entscheidend, weitere Lieferabhängigkeiten zu vermeiden. Kein Land sollte Lieferant von mehr als 30% der Biokraftstoffe für die EU sein.
- Planungssicherheit im EEG schaffen zum Beispiel durch Anhebung der Höchstgebotsgrenze
- Biomethan als langfristigen Partner von grünem Wasserstoff und erneuerbarem Strom im Dreiklang der Energiewende stets mitdenken und somit für Investitionssicherheit sorgen.
BIOMETHAN: NACHHALTIGE BIOMASSENUTZUNG MIT DEM ZEUG DAZU, CO2 AUS DER ATMOSPHÄRE ZU ZIEHEN
Wenn Biomasse wie Gülle, Abfälle oder Blühwiesen vergärt wird, kann daraus beispielsweise nachhaltige Bioenergie erzeugt werden. Durch Vergärung zu Biogas und anschließende Aufbereitung entsteht zum Beispiel der nachhaltige Energieträger Biomethan.
Wie der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) errechnet, ist ohne Neuerschließung von landwirtschaftlichen Flächen für Energiepflanzen eine Verzehnfachung der eingespeisten Biomethanmenge möglich. Hiermit könnte ein relevanter Teil der bisher aus Russland importierten Erdgasmengen nachhaltig und aus regionaler Erzeugung erzeugt ersetzt werden.
Durch den Einsatz von organischen Rest- und Abfallstoffen, Gülle oder Zwischenfrüchten kann Biomethan lokale Kreislaufwirtschaft unterstützen, die regionale Landwirtschaft stärken und Arbeitsplätze in ländlichen Regionen sichern. Kommen Blühwiesen zum Einsatz, schützt Biomethan überdies die Artenvielfalt und die heimische Honigbiene.
Zudem kann Biomethan für Negativemissionen sorgen und CO2 aktiv aus der Atmosphäre ziehen. Die Abscheidung von CO2 ist ohnehin Teil der Biomethanerzeugung. Das biogene CO2 kann im nächsten Schritt für den Transport verflüssigt und entweder in die industrielle Nutzung oder langfristige Speicherung gegeben werden. Erste Leuchtturmprojekte laufen bereits.
Als klimafreundlicher Allrounder kann Biomethan in vielen verschiedenen Industrien zum Einsatz kommen und den fließenden Übergang vom fossilen Energieträger Erdgas ermöglichen. Es kann Erdgas 1:1 ersetzen. Zu Bio-LNG verflüssigt, leistet Biomethan darüber hinaus heute einen Beitrag dazu, den Schifffahrts- und Schwerlastverkehr grün zu gestalten. Als Ökogas heizt es zudem das Wohnzimmer und beleuchtet als Ökostrom die Glühbirne. Auch wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, kann Biomethan flexibel und dezentral Energie liefern.
Bildquelle: Chulpan Gallyamova | unsplash
WEITERFÜHRENDE LINKS
- Nationale Biomassestrategie (Leak) (06.02.2024)
- Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe: Basisdaten Bioenergie Deutschland 2024 (September 2023)
- Europäische Kommission: Biomethane
- Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V (BDEW): Gas kann grün: Die Potentiale von Biogas/Biomethan (26.04.2019)
- Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK): Eckpunkte Carbon Management-Strategie (26. Februar 2024)
- Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK): Eckpunkte Langfriststrategie Negativemissionen (26. Februar 2024)
- Fachverband Biogas: Analysepapier NABIS (23.02.2024)
- Energate messenger: Branche zufrieden: Bund will Biogas als Flexibilitätsoption stärken (13.02.2024)