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TRANSFORMATION DER GASNETZE: SYNERGIEN ZWISCHEN WASSERSTOFF, GRÜNEM METHAN UND CO2 

Das vom Bundeswirtschaftsministerium veröffentlichte Green Paper zur Transformation der Gas- und Wasserstoff-Verteilnetze setzt zur Diskussion zum Umgang mit den Gasnetzen an. In der Transformation hin zu einem erneuerbaren Energiesystem müssen die Synergien zwischen Wasserstoff, grünem Methan und CO2 auch in der Infrastruktur beleuchtet werden. 

Aus Sicht von Landwärme muss die Transformation der Gasinfrastruktur  in enger Verzahnung mit weiteren energiepolitischen Entscheidungen erfolgen. Dabei empfiehlt sich eine Berücksichtigung der folgenden Aspekte in der Diskussion:

  • Die Transformation sowie der mögliche Neubau von Infrastruktur muss maßgeblich den politischen Zielvorgaben für den künftigen Energiemix folgen: Auf Grundlage der europäisch und national festgelegten Erneuerbare-Energien-Ziele muss entsprechende Infrastruktur geplant bzw. bereitgestellt werden. Es ist zwar ein Ausstieg aus Erdgas geplant; neben Wasserstoff ist auch grünes Methan (Biomethan und synthetisches Methan) vorgesehen.
  • Die bestehende Infrastruktur kann und sollte für die Nutzung grünen Methans fortgeführt und mit der gezielten Errichtung neuer Wasserstoff- und CO2-Netze sinnvoll verzahnt werden.
  • Darüber hinaus wird vor dem Hintergrund des künftigen Umgangs mit CO2 (Carbon Management) Transportinfrastruktur für CO2 benötigen.
  • Weiterhin sind die veränderten Gasbedarfe sowie die Wirtschaftlichkeit, Effizienz und die richtige Verteilung der Energieträger zu den Endanwendungen zu berücksichtigen.
  • Der Anschluss von Biogassammelleitungen ermöglicht eine kosteneffiziente Biomethanerzeugung, eine zentrale Einspeisung sowie langfristige Spitzenlaststromerzeugung.

BESTEHENDE INFRASTRUKTUR FÜR DEN TRANSPORT VON GRÜNEM METHAN WEITERNUTZEN

Biomethan ist in vielen Bereichen ein direkter, umweltfreundlicher Ersatz für Erdgas. Grünes Methan wird dezentral in Deutschland und Europa erzeugt, über das Verteilnetz der mittleren Druckebene eingespeist und über das Fernleitungsnetz transportiert. Die bestehenden und auch die zukünftigen Biomethananlagen sind in ganz Deutschland und auch in Europa verteilt. So leistet Biomethan durch die heimische Erzeugung zudem einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgungssicherheit.

Schon heute erfolgt der Transport von (grünem) Methan zu den Verbrauchspunkten über die bestehende Gasnetzinfrastruktur, wofür das Gasnetz auch langfristig benötigt wird. Die Dezentralität des bestehenden Erdgasnetzes ist demnach notwendig für die Nutzung des Potenzials von dezentral erzeugtem Biomethan und sollte entsprechend für die Weiternutzung mit Biomethan weiter betrieben werden.

Zum anderen ergibt sich die Notwendigkeit der Weiterführung eines Methannetzes aus der Versorgung des überregionalen Bedarfs und der Abwicklung von Importen: Grünes Methan wird künftig insbesondere in industriellen Großanwendungen, aber auch als Bio-LNG-Kraftstoff im Schwerlast- sowie Schiffsverkehr Einsatz finden. Darüber hinaus ermöglicht diese Weiternutzung die Verwendung des Gasnetzes als Energiespeicher mit seinen über 250 TWh.

BIOMETHANAUSBAUPLÄNE DER EU AUCH IN DER INFRASTRUKTURPLANUNG MITEINBEZIEHEN

VERÄNDERTEN GAS- UND ENERGIEBEDARF BERÜCKSICHTIGEN 

Zentrale Punkte, die in Bezug auf die Wärme- und Versorgungspläne zu bedenken sein werden, sind der Bedarf an Energie sowie der Standort der Energieerzeugung. Im Zuge der Elektrifizierung wird die Energie- und vor allem Wärmeversorgung der Haushalte und Endverbraucher primär über erneuerbaren Strom oder Wärme erfolgen, also vorwiegend über das Strom- und Wärmenetz. Ob eine Anbindung einzelner Haushalte oder Bürogebäude an Wasserstoff, beispielsweise für die Wärmeanwendung sinnvoll ist, ist diskutabel. Auch im Green Paper wird dieser Aspekt kritisch betrachtet.

Der Einsatz (grünen) Wasserstoffs wird künftig voraussichtlich fokussiert in der Spitzenlaststromerzeugung und in der Chemie- und Stahlindustrie, also auf Industrieebene, kaum aber auf Endverbrauchsebene erfolgen. Demnach ist eine pauschale Umstellung der Verteilnetze auf Wasserstoff nur bedingt notwendig. Stattdessen könnte der Neubau eines Wasserstoff-Kernnetzes und die Umwidmung einzelner Interkontinentalleitungen für den Transport von H2 über lange Strecken zweckdienlicher sein. Vor allem aber sind dezidierte Wasserstoffpipelines so zu planen, dass sie eine sinnvolle Wasserstoffnutzung in der Chemie sowie in Spitzenlastkraftwerke abdecken.

CARBON MANAGEMENT: CO2-INFRASTRUKTUR MITDENKEN 

Vor dem Hintergrund des künftigen Umgangs mit CO2 muss darüber hinaus die Transportinfrastruktur zum Ab- und Weitertransport mitgedacht werden. So kann es Sinn machen, parallel zum Aufbau des Wasserstoffnetzes gleichzeitig CO2-Leitungen verlegt werden, um die künftigen CO2-Ströme effizient zu verteilen. Schließlich haben wasserstoffintensive Industrien oft nicht nur hohen CO2-Bedarf (Carbon Capture and Usage, CCU), sondern sind auch selbst CO2-Quellen. Gleichzeitig ermöglichen CO2-Pipelines den effizienten Transport hin zu Endlagerstätten, in denen das CO2 permanent gespeichert wird (CCS). Zu berücksichtigen ist hier zudem die geographische Lage Deutschlands als Transitland für CO2 auf dem Weg zu Speicherstätten wie beispielsweise der Nordsee.

NETZEFFEKTIVITÄT OPTIMIEREN DURCH BIOGASSAMMELLEITUNGEN 

Um die Potenziale der deutschen Biogas- und Biomethanerzeugung vollständig zu nutzen, ist über die genannten Punkte hinaus die Errichtung von Biogassammelleitungen sinnvoll. Durch den Anschluss mehrerer kleinerer Biogasanlagen kann die Aufbereitung zentral dort erfolgen, wo ohnehin Gasleitungen verlegt sind: Solche Biogassammelleitungen ermöglichen also eine zentrale Einspeisung an einem Anschlusspunkt.

Zudem ermöglichen Biogassammelleitungen eine Spitzenlaststromerzeugung. Bereits flexibilisierte Biogas-Blockheizkraftwerke (BHKW) können damit noch weiter flexibilisiert werden: Bei Anschluss der Biogasanlage an die Sammelleitung kann das Biogas entweder per Default in die gesammelte Aufbereitung gegeben werden – oder bei Dunkelflauten einen Spitzenlastausgleich bereitstellen, auch über die EEG-Förderung hinaus. So können sie als zusätzliche Reservekapazität zur flexiblen Stromerzeugung fungieren und zusätzlichen Return on Investment generieren.

Das bei der Erzeugung von Biomethan anfallende CO2, das künftig im Rahmen von CCS und CCU entweder industriell genutzt oder gespeichert wird, kann ebenfalls effizient über die Sammelleitungen transportiert werden – und über die Schnittstellen an das CO2-Verteilnetz übertragen werden.

Auf einen Blick – veränderter Gas- und Netzbedarf:

  • Auf unterster Verteilebene wird es keinen Erdgasbedarf mehr geben, sodass eine Stilllegung der niedrigsten Verteilebene sinnvoll sein kann. Das muss jedoch je nach regionalen Gegebenheiten bewertet werden.
  • In einem Methanmischszenario (Biomethan und synthetisches Gas) wird die übergeordnete Infrastruktur perspektivisch weiterhin notwendig sein: In solchen Regionen, in denen Biomethananlagen, Kraftwerke, (Bio-)CNG- und (Bio-)LNG-Tankstellen oder Gasspeicher stehen, bedarf es eines Anschlusses an die Netze der mittleren und hohen Druckstufen.
  • Es sollte zwischen der Anbindung an Endverbraucher („B2C“) und Industrien („B2B“) differenziert werden. Dabei ist es notwendig, einen Transformationsplan zu entwerfen, der sowohl ein B2B-Netz für grünes Methan als auch ein B2B-Netz für (grünen) Wasserstoff berücksichtigt.

VERKNÜPFUNG VON NETZEN FÜR GRÜNES METHAN, WASSERSTOFF UND CO2 

Um die veränderten Gasbedarfe abzubilden und eine langfristige Versorgung mit grünen Gasen gewährleisten, bedarf es also einer sinnvollen Umstellung des Bestandsnetzes auf grünes Methan sowie die Errichtung neuer Wasserstoff- und CO2-Netze.  Eine zielgerichtete Verknüpfung der Schnittstellen von künftigen Wasserstoff-, CO2– und Methanleitungen ermöglicht zudem Sektorenkopplung und bedarfsgerechte Umschaltung: So kann mit Wasserstoff und CO2 eine Methanisierung stattfinden oder umgekehrt aus Methan Wasserstoff und CO2 erzeugt werden. So können sinnvolle Synergien geschaffen und der Weg zu einer Transformation hin zu einem klimapositiven Energiesystem geebnet werden.

Bildquelle: tomas | Adobe Stock