THG-QUOTE: ANPASSUNG DES BIMSCHG ÜBER UMWELTSTATISTIKGESETZ
Im Februar war es noch ungewiss und abgeheftet unter „to be discussed“, nun ging alles doch deutlich schneller als geplant: Treibhausgasminderungen bei der Erdölförderung können in Deutschland zur Erfüllung der Treibhausgasminderungsquote im Verkehrsbereich geltend gemacht werden. Der Beschluss kam ohne Vorankündigung.
Dürfen Emissionsminderungen bei der Erdölförderung, sogenannte Upstream-Emissionsreduktionen (UER), die außerhalb von Europa erzielt wurden, auf die Einsparungsziele des Kraftstoffsektors in Deutschland angerechnet werden? Das war bereits im Februar Thema einer Kleinen Anfrage der Grünen. In ihrer Antwort teilte die Bundesregierung damals noch mit, erst ab September diesen Jahres Anhörungen der Länder und Verbände zum Thema anzusetzen. Diese blieben nun aus. Über einen kurzfristigen Änderungsantrag am Entwurf zum Umweltstatistikgesetz nahm die GroKo nun ohne Debatte Änderungen im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) vor. Eine öffentliche Anhörung, wie es bei solchen Entscheidungen oft der Fall ist, ließ die Bundesregierung dabei diesmal aus. Damit ist es jetzt amtlich: UER werden als Option zur Erfüllung der Treibhausgasminderungsverpflichtungen des Kraftstoffsektors zugelassen.
Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umweltstatistikgesetzes und des Hochbaustatistikgesetzes hatte ursprünglich nur Änderungen in den Statistikgesetzen vorgesehen. Das macht auch eine Pressemeldung des Bundestages von 08. Juni deutlich. Die eingebrachten Änderungen im BImSchG zielen darauf ab, EU-Vorgaben der Richtlinien (EU) 2015/1513 und (EU) 2015/652 umzusetzen. „So soll […] explizit aufgeführt werden, dass neben Biokraftstoffen auch andere Kraftstoffe sowie [UER] zur Erfüllung der Treibhausgasminderungsquote für Kraftstoffe angerechnet werden können“, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Deren Anrechenbarkeit kann laut Begründung des Antrages schon jetzt per Verordnung ermöglicht werden“, fässt der VHW weiter zusammen.
Die Fraktion der Grünen äußerte in ihrer Kleinen Anfrage bereits Bedenken an UER als Erfüllungsoption. Zum einen stellen die Grünen den Klimabeitrag in Europa infrage, da nur ein geringer Teil des Erdöls in Europa gefördert wird. Zum anderen stellt die Fraktion die Frage nach der Berechnung und gibt zu bedenken, dass Emissionsminderungen bei der Gewinnung fossiler Kraftstoffe schwer als gleichwertig zum Einsatz von Biokraftstoffen zu sehen sind. Insbesondere vor diesem Hintergrund wäre eine Anhörung der Verbände und damit eine differenzierte Diskussion der Thematik wünschenswert gewesen.
HINTERGRUND
Die Europäische Union gibt in der Erneuerbare-Energien-Richtline (RED) von 2009 vor, dass jeder Mitgliedsstaat bis 2020 mindestens 10 % des Endenergieverbrauchs im Verkehrssektor aus erneuerbaren Quellen erreicht. Zudem legt die EU-Kraftstoffqualitätsrichtlinie fest, dass die Treibhausgasemissionen aus Kraftstoffen bis 2020 um mindestens 6 % sinken sollen.
In Deutschland werden diese EU-Richtlinien über das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) geregelt. Dazu hat die Bundesregierung Treibhausgasminderungsquoten (THG-Quoten) festgelegt: Unternehmen der Mineralölwirtschaft sind verpflichtet, die THG-Emissionen der von ihnen in Verkehr gebrachten Kraftstoffe zu reduzieren: 2017 bis 2019 um 4 % und ab dem Jahr 2020 um 6 %. Dazu war vorgesehen, dass anteilig Biokraftstoffe eingesetzt werden – bis jetzt.
Im April 2015 erweiterte der Europäische Rat mit der Richtlinie 2015/652/EG zur Festlegung von Berechnungsverfahren gemäß der EU-Kraftstoffqualitätsrichtlinie für ab 2020 die Optionen, diese Quotenverpflichtungen zu erfüllen. Zum einen werden neben Bio- auch nicht biogene, zum Beispiel strombasierte Kraftstoffe zugelassen, um die Minderungsziele zu erreichen. Doch über erneuerbare Alternativen hinaus haben Mineralölunternehmen nun auch die Möglichkeit, durch die Reduktion von Emissionen bei der Erdölförderung die THG-Minderungsziele im Kraftstoffbereich zu erreichen.
Die Richtlinie 2015/652/EG ist bis spätestens April 2017 in nationales Recht umzusetzen. Dabei ließ die EU den Mitgliedsstaaten einen gewissen Spielraum. Zum Zeitpunkt der Kleinen Anfrage des Bündnis 90/Die Grünen stand die Implementierung der UER-Richtlinie noch nicht fest und sollte unter Einbezug von Interessensvertretern noch diskutiert werden.
WAS SIND UPSTREAM-EMISSIONSREDUKTIONEN (UER)?
UER sind, so definiert es das Umweltbundesamt, THG-Emissionen, die vermieden werden, bevor Rohstoffe für Otto-, Diesel- und Flüssiggaskraftstoff in eine Raffinerie gelangen. Darunter fallen z.B. Emissionsreduktionen durch das Vermeiden des Abfackelns von Begleitgasen bei der Förderung von Erdöl. Der Großteil der Erdölförderung findet jedoch außerhalb der EU statt. Damit halten sich die tatsächlichen THG-Minderungen in Europa in Grenzen.
Bildquelle: Simone M. Neumann / Deutscher Bundestag
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WEITERFÜHRENDE LINKS
- Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umweltstatistikgesetzes und des Hochbaustatistikgesetzes (2016)
- Deutscher Bundestag: Änderungen im Immissionschutzgesetz (2016)
- EU-Richtlinie 2015/1513 zur Änderung der EU-Kraftstoffqualitätsrichtlinie (2015)
- Richtlinie (EU) 2015/652 des Rates vom 20. April 2015 zur Festlegung von Berechnungsverfahren und Berichterstattungspflichten gemäß der Richtlinie 98/70/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen (2015)
- Erneubare-Energien-Richtlinie (RED) (2009)
- Richtlinie (EU) 2015/652 des Rates vom 20. April 2015 zur Festlegung von Berechnungsverfahren und Berichterstattungspflichten gemäß der Richtlinie 98/70/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen (2015)
- Umweltbundesamt: Projekte im Kraftstoffsektor (2019)